Kein Betreuer bei Vorsorgevollmacht

Eine Betreuung hat nicht den Zweck, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren. Wird einem Angehörigen eine Vorsorgevollmacht erteilt, steht diese laut Bundesgerichtshof der Bestellung eines Betreuers entgegen. Entscheidend sei dabei der mutmaßliche Wille des Betreuten, der sich auf die Umsetzung seiner Vorstellungen aus gesunden Zeiten und seine eigene beste Versorgung und Pflege richte.

Kontrollbetreuung für demenzkranke Frau

Ein Sohn verlangte die "Aufhebung" einer General- und Vorsorgevollmacht, die seine demenzkranke Mutter dem Bruder in Sachen Vermögensvorsorge erteilt hatte. Ihr im April 2018 verstorbener Ehemann hatte dem einen Filius 2002 zwei Mehrfamilienhäuser geschenkt und dem anderen Sohn sowie dessen Ehefrau den Fleischereibetrieb übergeben. Kurz vor seinem Tod setzte er seine Frau sowie den mit dem Betrieb beschenkten Sohn im Testament als Erben ein. Ihm wurde auferlegt, die Gattin würdevoll und angemessen zu versorgen und zu pflegen. Kurz darauf ergab ein Sachverständigengutachten, dass die Frau an Alzheimer leide, geschäftsunfähig und hochgradig hilflos sei. Nach dem Tod des Fleischers fuhr die Witwe mit dem abtrünnigen Junior zur Sparkasse und ließ ihm 1.021.000 Euro zukommen. Dann gingen beide zu einer Notarin, die den Widerruf der erteilten Vollmacht und die Ausschlagung des Erbes durch die Mutter beurkundete. Im August bestellte das Amtsgericht Eckernförde einen Kontrollbetreuer. Dieser regte jedoch die Aufhebung an, nachdem sich der Mann verpflichtet hatte, es zu unterlassen, von den Vollmachten ohne Rücksprache und Zustimmung des Bruders Gebrauch zu machen; das AG folgte dem. Das Landgericht Kiel wies die Beschwerde des "Abtrünnigen" zurück. Dagegen legte dieser Sohn – für seine Mutter und sich – beim BGH erfolglos Rechtsbeschwerden ein.

Mutmaßlicher Wille der Betroffenen entscheidet

Aus Karlsruher Sicht ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 1896 Abs. 2 BGB keine Betreuung erforderlich sei. Eine Vorsorgevollmacht stehe einer Bestellung grundsätzlich entgegen. Dem XII. Zivilsenat zufolge war nicht zu befürchten, dass die Wahrnehmung der Interessen der Mutter durch den bevollmächtigten Sohnes eine konkrete Gefahr begründet: Dieser könne ihre Angelegenheiten ebenso gut wie ein Betreuer besorgen. Wegen der Geschäftsunfähigkeit der Frau sei der Widerruf der Bevollmächtigung unwirksam gewesen. Es sei davon auszugehen, dass sie und der Erblasser die Verteilung ihres Nachlasses langfristig gemeinsam geplant hätten. Ihr mutmaßlicher Wille richtete sich demnach nicht auf die Optimierung ihrer eigenen finanziellen Situation als künftiger Erblasserin, sondern auf die Umsetzung ihrer Vorstellungen aus gesunden Zeiten und ihre eigene beste Versorgung und Pflege.

BGH, Beschluss vom 19.05.2021 - XII ZB 518/20

Redaktion beck-aktuell, 11. August 2021.