Kein Beginn der Beschwerdefrist ohne Beteiligung am Verfahren

Wurden dem Antragsgegner in einer Ehesache die Scheidungspapiere nicht ordnungsgemäß zugestellt und wurde er auch sonst nicht am Verfahren beteiligt, wird seine Beschwerdefrist auch nicht durch eine anderweitig erlangte Kenntnis von dem Verfahren in Gang gesetzt. Die Fünfmonatsfrist beginnt laut Bundesgerichtshof ausnahmsweise nicht zu laufen, wenn die Partei im Termin nicht vertreten und zu diesem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen war. Eine Erkundigungspflicht bestehe dann nicht.

Späte Kenntnis vom Scheidungsantrag

Eine Frau hatte im Februar 2019 die Scheidung von ihrem Mann beantragt. Die Antragsschrift konnte seinem Anwalt nicht zugestellt werden, da der Gatte das Mandat bereits im August zuvor gekündigt hatte. Daraufhin leitete das AG Hamburg auf Antrag der Angetrauten die öffentliche Zustellung des Schriftstücks ein. Auch die Ladung zum Gerichtstermin erfolgte auf diesem Weg. Die Ehe der beiden wurde im September 2019 geschieden – ohne Beisein des Ex-Partners. Der Beschluss wurde ihm ebenfalls öffentlich zugestellt. Erst einen Monat danach erfuhr er von seinem früheren Bevollmächtigten, dass seine Verflossene einen Scheidungsantrag eingereicht hatte. Gegen den Beschluss reichte er Ende April 2020 Beschwerde beim dortigen Oberlandesgericht ein. Zudem beantragte er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – vergeblich: Er habe die Beschwerdefrist von fünf Monaten nach § 63 Abs. 2 S. 3 FamFG versäumt, so die Begründung. Dagegen legte der Ex-Mann vorerst erfolgreich beim BGH Rechtsbeschwerde ein.

BGH: Einschränkende Anwendung der Fünfmonatsfrist im Einzelfall

Aus dessen Sicht wurden Verfahrensrechte des Geschiedenen verletzt. Nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sei es den Gerichten verboten, den Beteiligten den Zugang zu einer Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Dem XII. Zivilsenat zufolge ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu dem vom AG anberaumten Termin nicht ordnungsgemäß geladen wurde. Zwar müsse eine Partei grundsätzlich mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen und es könne ihr deshalb zugemutet werden, sich nach dem Inhalt der Entscheidung zu erkundigen. Da der ehemalige Gatte im Verhandlungstermin weder anwesend noch durch einen Anwalt ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, treffe dieser Grundgedanke aber nicht zu. Insofern beginne die Fünfmonatsfrist ausnahmsweise nicht zu laufen. Eine Erkundigungspflicht sei nicht gegeben, da ihm schon das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden sei und er sich auch nicht auf das Verfahren eingelassen habe. Der BGH verwies die Sache daher an das OLG zurück, um die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung zu klären.

BGH, Beschluss vom 23.06.2021 - XII ZB 51/21

Redaktion beck-aktuell, 12. August 2021.