Lost-Art-Datenbank muss Eintrag zu möglichem NS-Raubgut nicht löschen

Ein Kunstsammler ist vor dem Bundesgerichtshof mit dem Versuch gescheitert, den Eintrag über ein Bild des Malers Andreas Achenbach aus einer Datenbank für potenzielles NS-Raubgut löschen zu lassen. Die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes stelle keine Eigentumsbeeinträchtigung dar, befand das Gericht. Der Sammler hatte die Löschung unter anderem gefordert, da der Eintrag den Handelswert des Bildes mindere.

Der Kläger hatte das Gemälde "Kalabrische Küste", das bis 1937 im Besitz der Galerie des jüdischen Kunsthändlers Max Stern in Düsseldorf war, 1999 im Rahmen einer Auktion in London erworben. Dieser hatte es verkauft, nachdem durch das NS-Regime ein Berufsverbot gegen ihn verhängt, aber nicht vollzogen wurde, und er nach Kanada auswanderte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind.

2016 wurde auf Veranlassung der Beklagten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost-Art-Datenbank veröffentlicht. Die von einer Stiftung mit Sitz in Magdeburg betriebene Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die insbesondere jüdischen Eigentümern aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen wurden, und versucht eine gerechte und faire Lösung im Sinn der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 zu finden.

Keine Eigentumsanmaßung - kein Unterlassungsanspruch

Der Kläger geht gegen die Suchmeldung und eine in Kanada veranlasste Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol vor. Er verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen, hilfsweise möchte er zumindest, dass die Treuhänder das Löschen der Suchmeldung in der Datenbank beantragen müssen. Nachdem bereits die beiden Vorinstanzen die Klage abgewiesen haben, ist der Kläger nun auch vor dem BGH gescheitert.

Der Hauptantrag auf Unterlassung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitere schon deshalb, weil die Beklagten sich nicht des Eigentums an dem Gemälde des Klägers berühmt haben, so der BGH. Die tatrichterliche Beurteilung, dass mit der Suchmeldung ohne gegenwärtige Eigentumsanmaßung lediglich an das früher bestehende Eigentum Sterns angeknüpft wird, sei nicht zu beanstanden.

Dasselbe gelte für die Interpol-Fahndung, da mit der Meldung über das Abhandenkommen des Gemäldes 1937 keine Aussage über die heutige Eigentumslage verbunden sei. Dass dem Kläger in Kanada oder den USA polizeiliche Maßnahmen drohen, die seine Verfügungsgewalt über das Gemälde beschränken könnten, ändere nichts. Es sei Folge des Umstandes, dass die Rechtsordnungen einzelner Staaten an das verfolgungsbedingte Abhandenkommen von Kulturgütern und spätere Erwerbsvorgänge unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

Selbst wenn sich die Beklagten diesen Umstand bewusst zunutze gemacht hätten, stelle ihre Meldung keine Eigentumsanmaßung dar, weil sie lediglich (wahre) Tatsachen zu Vorgängen aus dem Jahre 1937 enthält und die rechtliche Bewertung dieser Vorgänge den Behörden beziehungsweise Gerichten überlassen wird.

Auch kein hilfsweiser Anspruch auf Beantragung der Löschung

Dem Kläger stehe auch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beantragung der Löschung der Suchmeldung nicht zu. Die Behauptung und Verbreitung wahrer Tatsachen - so wie hier die Information über den Verdacht des NS-verfolgungsbedingten Verlustes eines Kulturgutes - hätten Betroffene in der Regel hinzunehmen, auch wenn dies für sie nachteilig sei. Das berechtigte Interesse früherer Eigentümer oder ihrer Rechtsnachfolger sowie das allgemeine öffentliche Interesse überwiege.

Ob eine Eigentumsbeeinträchtigung wegen der Behauptung unwahrer marktrelevanter Tatsachen beziehungsweise der falschen Darstellung wertbildender Faktoren anzunehmen ist, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung, da es dem Kläger nicht um die Abwehr unzutreffender Tatsachenbehauptungen über das Gemälde geht. Nach § 44 Satz 1 Nr. 1 des Kulturgutschutzgesetzes bestehe wegen der Umstände des Verkaufs im Jahr 1937 eine erhöhte Sorgfaltsanforderung.

Die Vermutung, dass das Gemälde einem früheren Eigentümer NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, sei nicht unplausibel. Die Veröffentlichung der Suchmeldung mache damit lediglich publik, was aufgrund der bekannten Umstände des Verkaufs ohnehin vermutet wird und - jedenfalls im Fall eines gewerblichen Inverkehrbringens - näherer Aufklärung bedarf.

BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 112/22

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 21. Juli 2023.