Kaufentscheidung kann bis zum Notartermin beeinflusst werden

Der Verkäufer eines Grundstücks haftet für seine unzutreffende öffentliche Äußerung über Sacheigenschaften der Immobilie nur dann nicht, wenn seine Aussage eine Kaufentscheidung nachweislich nicht beeinflusst. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung, auch wenn zuvor bereits Kaufbereitschaft signalisiert worden war, wie der Bundesgerichtshof klarstellt. Würden in einem nach signalisierter Kaufbereitschaft übersandten Exposé unzutreffende Angaben gemacht, könne dies damit die Kaufentscheidung noch beeinflussen.

"Solide (…) Wohnanlage zum Sanieren oder Neuentwickeln"

Die ehemalige Eigentümerin zweier bebauter Grundstücke sowie deren Gesellschafter wurden aus abgetretenem Recht der Käuferin auf Schadenersatz von 600.000 Euro in Anspruch genommen. Die Käuferin hatte das Areal, auf dem zwei Mehrfamilienhäuser standen, im Oktober 2015 für 1,5 Millionen Euro erworben. Eine Haftung für Sachmängel war ausgeschlossen. Laut Kaufvertrag sei ihr bekannt, dass das Objekt seit circa drei Jahren entmietet und ohne Heizung sei und dass pro Gebäude nur vier Wohneinheiten genehmigungsfähig seien. Nachdem die Interessentin die Häuser besichtigt hatte, berichtete sie dem Makler per E-Mail von ihrer Kaufbereitschaft. Er schlug ein und übersandte ihr das Prospekt und die "Visualisierung" einer ursprünglich von der Gesellschaft geplanten Umbaumaßnahme. Die dafür im August 2012 befristet auf drei Jahre erteilte Baugenehmigung war inzwischen abgelaufen, wovon sie wusste.

Vorinstanzen verneinen Schadenersatzanspruch

Die Klage scheiterte sowohl vor dem Landgericht Hamburg als auch vor dem dortigen Oberlandesgericht. Auf das Exposé könne kein Schadenersatzanspruch gestützt werden, weil das Grundstück den darin gemachten Angaben entsprochen habe. Die Visualisierung begründe jedenfalls deshalb keinen Sachmangel, weil sie den Kaufentschluss nicht habe beeinflussen können. Die Käuferin sei im Zeitpunkt, zu dem ihr die Visualisierung übersandt worden sei, bereits entschlossen gewesen, das Grundstück zu erwerben, so die Begründung. Die Revision war beim BGH zunächst erfolgreich.

BGH: Notarielle Beurkundung ist entscheidend

Aus Sicht der Karlsruher Richter lag ein möglicher Sachmangel aufgrund der im Exposé gemachten Äußerungen vor. Die Visualisierung, bei der Bebauungsmöglichkeiten für ein gekauftes Grundstück bildlich dargestellt werden, stelle eine öffentliche Äußerung der Beklagten dar. Dem V. Zivilsenat zufolge konnte die Käuferin erwarten, dass eine Sanierung der Mehrfamilienhäuser möglich war. Die Illustration habe ihre Kaufentscheidung nach § 434 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB beeinflussen können. Hier sei entgegen der Ansicht des OLG nicht der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Käufer sich entschlossen habe, das Grundstück zu erwerben, sondern der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags. Der Käufer könne bis zur notariellen Beurkundung des Vertrags durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache bei seiner Entscheidung, den Kaufvertrag zu schließen oder nicht, beeinflusst werden. Der BGH verwies die Sache daher an das OLG zurück, das die baurechtliche Unzulässigkeit des Umbaus sowie den Vorwurf der Arglist prüfen müsse.

BGH, Urteil vom 16.07.2021 - V ZR 119/20

Redaktion beck-aktuell, 22. September 2021.