Kartellschaden bei mittelbaren Abnehmern

Der Erfahrungssatz, dass Kartellabsprachen regelmäßig zu überhöhten Preisen führen, gilt auch für Ware, die von einer wirtschaftlich eng verbundenen Tochtergesellschaft verkauft wird. Für die kartellrechtliche Betroffenheit genügt es laut Bundesgerichtshof, dass dadurch verursachte Schäden auch für von der Absprache nicht unmittelbar betroffene Kunden Wirkung zeigen könnten.

Waren von Tochtergesellschaft erworben

Eine der größten deutschen Gießereien nahm eine französische Herstellerin von Stahl-Strahlmitteln auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch. Sie hatte von ihr bis Mitte der 1990er hergestellte Produkte von deren Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland erworben. Im April 2014 stellte die Europäische Kommission fest, dass die Firma aus dem Nachbarland sowie mindestens drei weitere Hersteller von Stahl-Strahlmitteln durch Preisabsprachen über Verkäufe im Europäischen Wirtschaftsraum gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Zwischen Mitte 2002 und Anfang 2014 bezog die Klägerin die Waren von einem Tochterunternehmen der Beklagten mit Sitz in Luxemburg. Die Schadensersatzklage scheiterte sowohl beim LG Köln als auch beim OLG Düsseldorf, da die Werkstätten-Betreiberin nicht kartellbetroffen sei. Ihr sei der ihr obliegende Beweis dafür, dass das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten geeignet gewesen sei, einen Preisaufschlag hinsichtlich der von der Tochterfirma erworbenen Waren herbeizuführen, nicht gelungen. Die Revision der Klägerin beim BGH hatte hingegen Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

Mittelbare Kartellbetroffenheit ist ausreichend

Das OLG habe die Kartellbetroffenheit der Klägerin und damit ihre Anspruchsberechtigung dem Kartellsenat zufolge zu Unrecht verneint. Es habe verkannt, dass diese bereits daraus folgte, dass sie als mittelbare Abnehmerin vom Tochterunternehmen Stahl-Strahlmittel erworben habe, die Gegenstand der Kartellabsprache gewesen seien. Ausreichend sei, dass Preiseffekte und Preisschirmeffekte und dadurch verursachte Preishöhenschäden auch für von der Absprache nicht unmittelbar betroffene Kunden zu den möglichen Wirkungen einer Kartellabsprache zählten. Dies gelte insbesondere auch beim Erwerb von einem am Kartell unbeteiligten Unternehmen. Die vom OLG festgestellten Umstände reichten auch nicht aus, um einen Schadenseintritt mit der am Maßstab des § 287 Abs. 1 ZPO zu messenden Überzeugung auszuschließen, bemängelte der BGH. Diese Prüfung müsse es nun nachholen. Der BGH erteilte den Hinweis, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens für jeden einzelnen Schadensersatzanspruch vorliegen müsse, dessen Bestehen festgestellt werden soll. Zudem werde das OLG die Anordnung auf Vorlage der Kommissionsentscheidung nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, ihre Herausgabe sei nicht erforderlich: Denn die Klägerin habe dargelegt, dass sich dort Einzelheiten zur Kundenschutzabsprache sowie ihrer Kartellbetroffenheit finden könnten.

BGH, Urteil vom 28.06.2022 - KZR 46/20

Redaktion beck-aktuell, 21. Oktober 2022.