Kartellamt darf Verbot der Erhebung von Nutzerdaten gegen Facebook durchsetzen
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hob am 23.06.2020 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf, mit der der Vollzug einer Verfügung des Bundeskartellamtes aufgeschoben worden war. Die Behörde hatte Facebook untersagt, von seinen Nutzern die pauschale Zustimmung zum Sammeln und Verknüpfen von Daten zu verlangen, ohne eine Wahlmöglichkeit für eine weniger umfangreiche Datennutzung anzubieten. Damit missbrauche Facebook damit seine marktbeherrschende Stellung.

Facebook fordert Verwendung von Nutzerdaten ein

Private Nutzer müssen, um Facebook nutzen zu können, der Nutzung personenbezogener Daten des Nutzers zustimmen, die Facebook aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie Instagram und Whattsapp sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von Facebook zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten näher erläutert wird.

Facebook nutzt Kundendaten für Verkauf von Werbung

Das Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert. Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von "Facebook Analytics" erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

BKartA untersagte Verwendung der Nutzerdaten

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der DS-GVO die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von Facebook generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen. Mit Beschluss vom 06.02.2019 hatte das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.

OLG Düsseldorf hatte aufschiebende Wirkung wiederhergestellt

Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden ist.

BGH Erlaubt Vollzug des Verbots

Der Kartellsenat hat nun die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt. Es bestünden weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutze. 

Facebook müsste den Nutzern die Wahl lassen

Maßgeblich hierfür sei, dass die Nutzungsbedingungen insoweit missbräuchlich seien, als sie den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen, ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf Facebook selbst preisgeben.

Facebook agiert auf zwei Märkten

Das Missbrauchsurteil beruhe dabei im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen: Facebook sei als Betreiber eines sozialen Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es biete zum einen privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur Kommunikation an. Es ermöglich zum anderen Unternehmen Werbung im Netzwerk und finanziere damit auch die Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein (monetäres) Entgelt zahlen. Indem Facebook seinen Nutzern personalisierte Erlebnisse und damit über die bloße Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte bereitzustellen verspreche, ergäben sich allerdings fließende Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber den Nutzern und der Refinanzierung der Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der Online-Werbung. Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber trage Facebook eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke. Dabei sei auch die hohe Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus ökonomischer Perspektive zukomme.

Kartellrechtliche relevante Ausbeutung der Nutzer

Die fehlende Wahlmöglichkeit beeinträchtige nicht nur die persönliche Autonomie der Nutzer und die Wahrung ihres auch durch die DS-GVO geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen ("Lock-in-Effekte"), stelle sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben könne. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschten erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre.

Behinderung des Wettbewerbs durch die Nutzungsbedingungen

Die so ausgestalteten Nutzungsbedingungen seien schließlich auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Bei dem Zugang zu Daten handele es sich nicht nur auf dem Werbemarkt um einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer erheblich größeren Datenbasis verstärke die ohnehin schon ausgeprägten "Lock-in-Effekte" weiter. Außerdem verbessere diese größere Datenbasis die Möglichkeiten der Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhingen. 

Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung möglich

Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lasse sich schließlich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedürfe es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Beeinträchtigung müsse nicht auf dem beherrschten Markt eintreten, sondern könne auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten.

Facebook-Anwalt betont Vorteile für Nutzer

Der Anwalt von Facebook hatte in der Verhandlung vergeblich argumentiert, die Nutzung der sogenannten Off-Facebook-Daten sei ein großer Vorteil für die Kunden. Facebook werde dadurch zu einem besseren Produkt. Er wies auch auf erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen hin, die ein sofortiger Vollzug der Anordnung hätte. Facebook bietet seinen Nutzern unter anderem speziell auf sie zugeschnittene Werbung an. Grundlage dafür sind zum Beispiel andere besuchte Internetseiten oder die Nutzung des Like-Buttons. Auch werden Daten von WhatsApp und Instagram mit Facebook zusammengeführt.

BKartA zufrieden

Der Präsident des Kartellamts, Andreas Mundt, äußerte sich zufrieden über die Entscheidung. Daten seien ein entscheidender Faktor für wirtschaftliche Macht und für die Beurteilung von Marktmacht im Internet. "Die Entscheidung gibt uns wichtige Hinweise, wie wir mit dem Thema Daten und Wettbewerb umgehen sollen. Wenn Daten rechtswidrig gesammelt und verwertet werden, muss ein kartellrechtlicher Eingriff möglich sein, um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern."

Kartellrechtsexperte: Spektakulärer Erfolg für BKartA

Aus Sicht des Kartellrechtsexperten Rupprecht Podszun von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist die Entscheidung ein spektakulärer Erfolg für das Bundeskartellamt und ein wichtiges Signal für den Wettbewerb im Internet. Das Verfahren gegen Facebook gelte weltweit als Pionierfall. Facebook habe aber die Möglichkeit, im Hauptsacheverfahren die Entscheidung noch einmal intensiv prüfen zu lassen.

BGH, Beschluss vom 23.06.2020 - KVR 69/19

Redaktion beck-aktuell, 23. Juni 2020 (ergänzt durch Material der dpa).