Jugendrichter muss Taterträge und auch den Wertersatz einziehen

Wer als Jugendlicher Vermögensstraftaten begeht, muss damit rechnen, dass das Strafgericht die Taterträge einzieht. Der Jugendrichter hat dem Großen Senat für Strafsachen zufolge keinerlei Ermessen bei der Frage, ob die Vermögensabschöpfung erfolgt oder nicht. Das gelte selbst dann, wenn der jugendliche Delinquent inzwischen entreichert und vermögenslos geworden sei.

Verschiedene Ansichten der Strafsenate am Bundesgerichtshof

Der 1. Strafsenat legte die Frage, ob ein Jugendgericht ein Ermessen habe, die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB anzuordnen oder nicht, dem Großen Senat vor. Vorangegangen war ein Urteil des Landgerichts München II, das wegen vielfachen Betrugs und schwerer räuberischen Erpressung eine Jugendstrafe von vier Jahren verhängt hatte. Von einer Vermögensabschöpfung in Höhe von 17.000 Euro hatten die Richter aber abgesehen, weil der Täter inzwischen entreichert war und durch die zusätzliche Last nicht entmutigt werden sollte. Die Staatsanwaltschaft wandte sich daraufhin zum 1. Strafsenat des BGH, der -  wie auch das Landgericht - davon ausging, dass den Jugendrichtern ein Ermessen hinsichtlich der Einziehung zusteht. Da aber sowohl der 2. als auch der 5. Strafsenat der Ansicht waren, dass die Einziehungsregeln in den §§ 73 ff. StGB wie bei den Erwachsenen zwingend angewendet werden müssen, holte der Senat nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen ein.

Kein Ermessen für Jugendrichter

Laut dem Großen Senat ist § 73c StGB zwingend ausgeformt und gehört zu den allgemeinen Vorschriften nach § 2 Abs. 2 JGG. Diese seien unverändert auch im Jugendstrafrecht anzuwenden, solange das Jugendgerichtsgesetz nichts anderes bestimme. Eine solche anderweitige Vorschrift gibt es dem Großen Senat zufolge nicht. Entgegen der Ansicht des 1. Strafsenats verleihe § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG kein solches Ermessen - er zähle lediglich alle Rechtsfolgen auf, zwischen denen der Jugendrichter bei der Bemessung der Sanktion auswählen könne. Die Einziehung sei aber keine Sanktion, sondern eine Vermögensabschöpfung.

Kein Widerspruch zum Zweck des Jugendstrafrechts

Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JGG vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Die Einziehung der Taterträge widerspreche diesem Ziel nicht: Entziehe man dem Täter konsequent die Beute oder deren Ersatz, schütze man die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung - auch diese Maßnahme wirke sowohl auf den Täter als auch auf weitere potenzielle Täter abschreckend und beuge neuen Straftaten vor. Härtefällen kann man dem Großen Senat zufolge im Vollstreckungsverfahren mit Maßnahmen nach § 459g StPO - so zum Beispiel durch die Einstellung der Vollstreckung bei Unverhältnismäßigkeit - begegnen.

BGH, Beschluss vom 20.01.2021 - GSSt 2/20

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2021.