Der Markt für ästhetische Chirurgie ist groß und vielfältig. Im Kampf um neue Patientinnen und Patienten wird dabei häufig auf "Vorher-Nachher-Werbung" gesetzt, um Erfolge der Behandlungsmaßnahme zu illustrieren – inzwischen auch vermehrt auf Social-Media-Plattformen.
Zwei Ärzte mit Sitz in Recklinghausen und sechs Standorten in Deutschland, die in TV-Formaten und Social Media als "Dr. Rick und Dr. Nick" auftreten, veröffentlichten auf Instagram mehrfach das Ergebnis ihrer minimalinvasiven schönheitschirurgischen Eingriffe. Dabei bewarben die Influencer, gerichtet an eine große Zahl an Followern, die von ihnen durchgeführten Injektionen mit Hyaluron bzw. Hyaluronidase, die regelmäßig an Kinn oder Nase durchgeführt werden.
Anders als bei klassischen Operationen wird die Haut dabei nicht durch einen Schnitt geöffnet, sondern die gewünschte optische Veränderung wird allein durch Injektionen verschiedener Flüssigkeiten erreicht. Vorteil dieser minimalinvasiven Therapien seien deutlich reduzierte Nebenwirkungen und dadurch ein geringeres Risikoprofil, so die beiden Ärzte.
Das Werbeverbot für Schönheits-Operationen
Das Vorgehen der Ärzte stieß zwar auf großes Interesse zahlreicher Follower, löste allerdings wenig Begeisterung bei der Verbraucherzentrale NRW aus. Diese mahnte die Praxisgesellschaft der beiden Ärzte zunächst außergerichtlich ab und klagte schließlich mit dem Ziel der Unterlassung der Werbung mit Vorher-Nachher-Abbildungen. Vor dem BGH waren die Verbraucherschützer damit jetzt erfolgreich (Urteil vom 31.07.2025 – I ZR 170/24).
Nach Ansicht der Verbraucherzentrale lag ein Verstoß gegen ein spezielles Werbeverbot des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) vor: Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG darf für "operativ plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit" nicht mit vergleichender Werbung außerhalb des sogenannten Fachkreises, also gegenüber Nicht-Ärzten und Nicht-Ärztinnen geworben werden.
Das Werbeverbot soll vermeiden, dass durch eine vergleichende Darstellung des Körperzustands ein Anreiz für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit entsteht. Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich Einflüsse, "die zu nicht sachgerechten Entscheidungen führen können" zurückdrängen und so die Entscheidungsfreiheit betroffener Personen schützen und vermeiden, dass sich diese Personen unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (BT-Drs. 15/5316, 46).
Kanüle statt Skalpell: Was ist ein operativ plastisch-chirurgischer Eingriff?
Die beiden Ärzte vertraten die Ansicht, dass die beworbenen minimalinvasiven Eingriffe nicht unter den Begriff eines operativ plastischen-chirurgischen Eingriffs fielen, da hiervon nur "klassische" operative Eingriff durch Öffnung des Körpers herkömmlicher Art mit Skalpell oder Messer erfasst seien. Eine Injektion mit Hyaluronsäure stelle dagegen keinen derartigen invasiven operativen Eingriff dar. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit den Regeln des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen. Nach der im EBM niedergeschriebenen "31.2.1 Präambel" Nr. 1 wird als Operation bzw. operativer Eingriff "die Eröffnung von Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen" definiert. "Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln" sind ausdrücklich nicht umfasst.
Letztlich drehte sich der Rechtsstreit also um die Frage der Auslegung des Begriffs des "operativ plastischen-chirurgischen Eingriffs". Für die Ärzte geht es ausweislich ihres Instagram-Auftritts aber um mehr: Sie stellen auch den grundlegenden Zweck des Werbeverbots in Frage und verweisen darauf, dass sich durch vergleichende Bilder für potenzielle Patientinnen und Patienten eine "umfassende und verständliche Informationsmöglichkeit" ergebe. Das Verbot entziehe dem medizinischen Laien eine wichtige Informationsquelle.
Brazilian Butt Lift und unterspritzte Lippen: Schon die Obergerichte waren streng
Für solche grundlegenden Erwägungen ließ sich schon die bisherige Rechtsprechung der Obergerichte allerdings nicht gewinnen. Im Gegenteil: Unterschiedliche Oberlandesgerichte hatten in jüngerer Vergangenheit durchweg eine weitgehende Auslegung des Begriffs des "operativ plastischen-chirurgischen Eingriffs" vertreten.
Das OLG Düsseldorf fasste 2022 ein "Brazilian Butt Lift" unter diesen Begriff, obwohl bloß per Injektion von ca. 200 ml Flüssigkeit pro Seite das Gesäß vergrößert wird (Urteil vom 17.2.2022 – 15 U 24/21). Das OLG Koblenz sah eine Lippenunterspritzung (Urteil vom 23.4.2024 – 9 U 1097/23), das OLG Köln eine Faltenunterspritzung (Urteil vom 27.10.2023 – 6 U 77/23), jeweils unter Verwendung von Hyaluronsäure, vom Werbeverbot erfasst.
Auch das im Fall von "Dr. Rick und Dr. Nick" zunächst befasste OLG Hamm betonte die potenzielle Gefährlichkeit, sodass eine Beschränkung auf Eingriffe mit dem Skalpell nicht in Betracht komme (Urteil vom 29.8.2024 – I-4 UKl 2/24), ließ aber die Revision zum BGH aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zu.
BGH betont Schutz vor unsachlichen Einflüssen
Der BGH schloss sich der bisherigen Rechtsprechung an und legte den Begriff des "operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs" ebenfalls weit aus. Er erfasse auch die von den beiden Ärzte-Influencern beworbenen Behandlungen, der Schutzzweck des Werbeverbots sei auch bei solchen Behandlungen anwendbar: Es gehe darum, "unsachliche Einflüsse durch potentiell suggestive und irreführende Werbung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zurückzudrängen, die Entscheidungsfreiheit betroffener Personen zu schützen und zu vermeiden, dass sich diese Personen unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können", führt der BGH in seiner Pressemitteilung ausführlich aus.
Interessant ist dabei auch, dass der I. Zivilsenat dem Vergleich der beklagten Ärzte mit – zulässiger - Werbung für Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren nicht gefolgt ist. Hierbei handele es sich von vorneherein nur um ästhetische Veränderungen der Hautoberfläche, die nicht unter den Begriff des "plastisch-chirurgischen" Eingriffs und damit nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG fielen.
Längst nicht alles geklärt
Die Klärung aus Karlsruhe war lang erwartet worden. Zu Recht verweist der BGH auf die hinter dem Werbeverbot stehenden Ziele des Gesetzgebers, Anreize zu nicht indizierten plastisch-chirurgischen Maßnahmen zu reduzieren.
Für das zukünftige öffentliche Auftreten und Werben im Bereich der ästhetischen Medizin dürfte die Entscheidung weitreichende Folgen haben. Wer zukünftig weiterhin mit Vorher-Nachher-Bildern für Unterspritzungen wirbt, riskiert wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und gegebenenfalls sogar berufsrechtliche Verfahren.
Doch ist längst nicht alles geklärt: Weitere, noch weniger invasive Maßnahmen im Grenzbereich zu kosmetischen Behandlungen (etwa Microneedling oder Lasertherapien) erfreuen sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. Auch hier wird sich die Frage stellen, wo die Grenze zu einem operativ plastischen-chirurgischen Eingriff verläuft. Möglicherweise ergibt sich aus der am Donnerstag noch nicht veröffentlichten Entscheidungsbegründung eine nähere Bestimmung der maßgeblichen Begriffe. Sie wäre dringend nötig, eine auch auf weitere Fälle übertragbare Definition fehlt bislang. Es bleibt spannend.
Dr. Carolin Wever ist Partnerin der auf das Medizin- und Haftungsrecht spezialisierten Boutique-Kanzlei BergmannPartner, Fachanwältin für Medizinrecht und Lehrbeauftragte der Universität Münster.
Dr. Sebastian Krekeler, LL.M. ist Rechtsanwalt in der Kanzlei BergmannPartner und Lehrbeauftragter der Universität Münster.