Rechtswidrige Vermittlungsprovision: Anwälte müssen "Lizenzgebühr" von geblitzt.de nicht zahlen
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Der BGH hat die Abweisung einer Klage der Betreiberin der Webseite "geblitzt.de" gegen eine Anwaltskanzlei bestätigt. Sie forderte "Lizenzgebühren" von rund 235.000 Euro für die Vermittlung von Mandaten. Der Senat findet deutliche Worte zu diesem Geschäftsmodell - zu Recht, meint Martin W. Huff

Die Klägerin des Verfahrens betreibt das Internetportal "geblitzt.de". Sie bietet über die von ihr entwickelte Software Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger an, die einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid wegen eines Verkehrsverstoßes (zum Beispiel Geschwindigkeits-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben. Zur rechtlichen Überprüfung der erhobenen Vorwürfe und für das etwaige weitere Vorgehen arbeitet das Portal mit Partnerkanzleien zusammen, zu denen auch die verklagte Leipziger Kanzlei gehörte. 

Im Zeitraum vom 1. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2021 operierte "geblitzt.de" wie folgt mit seinen Partnerkanzleien: Nachdem die Betroffenen die erforderlichen Unterlagen – einschließlich einer auf die jeweilige Kanzlei lautenden Vollmacht – eingereicht hatten, übernahmen die Kanzleien die rechtliche Betreuung der Betroffenen, prüften die Erfolgsaussichten eines Vorgehens  und erteilten entsprechenden Rat. Auf Wunsch der Betroffenen übernahmen sie auch die weitere Vertretung. Aus der rechtlichen Betreuung erwuchsen den Kanzleien Vergütungsansprüche, die in den meisten Fällen Rechtsschutzversicherer der Betroffenen deckten. Für ihre Leistungen in den rund sieben Monaten stellte "geblitzt.de" der verklagten Kanzlei "Lizenzgebühren" in Höhe von rund 235.000 Euro in Rechnung. Diese fielen bei Erteilung der Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung (114 Euro) und dann bei Endabrechnung des Mandats durch das Portal (76 Euro) an. Das Portal stellte also die Vermittlung von rund 1.200 Mandaten in Rechnung. 

Die geblitzt.de-Betreiberin war der Auffassung, dass ihre "Gebühren" keinen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO darstellten, da man lediglich pauschale Gebühren für die Nutzung der digitalen Infrastruktur durch die Partnerkanzleien berechne. Die Leipziger Kanzlei sah das ganz anders. Die Klage von "geblitzt.de" hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg, auch der BGH bestätigte einen berufsrechtlichen Verstoß (Urteil vom 18.04.2024 – IX ZR 89/23)

"Kein Gewerbe, in dem Mandate gekauft werden"

Der BGH verweist in seiner Entscheidung auf den klaren Wortlaut der Regelung, nach der die Abgabe und Entgegenahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, egal ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder einem Dritten, unzulässig sei. Seiner Ansicht nach ist der Begriff des "sonstigen Vorteils" vor dem Hintergrund des Verbotszwecks weit zu verstehen. Es solle vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen "Wettlauf um den Ankauf von Mandaten" träten. Wörtlich schreibt der IX. Senat weiter: "Die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate gekauft und verkauft werden. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen". 

Das gelte aber nur, wenn ein Bezug zu einem konkret vermittelten Mandat bestehe, der Vorteil also für die Vermittlung des einzelnen Mandats gewährt werde. Bietet ein Unternehmen nur eine Plattform für Rechtsanwälte an, über die sie ihre Dienstleistung anbieten, dann liegt keinen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO vor. So hat es das BVerfG schon 2008 entschieden (ebay-Auktion – BVerfG, Beschl. v. 19.2.2008 – 1 BvR 1886/08). 

Aber eine solche Konstellation liege hier nicht vor. Denn die Plattform "geblitzt.de" habe in dem entsprechenden Zeitraum konkrete Mandate vermittelt und der jeweiligen Kanzlei die Unterlagen zusammen mit einer auf die Kanzlei ausgestellten Vollmacht übermittelt. Dass der Sachverhalt erst noch von der Kanzlei geprüft worden sei, sei dafür unerheblich. Es handele sich um eine konkrete Vermittlung von Mandaten. 

Das Verbot des § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO sei in einer engen Auslegung, die das BVerfG 2008 vorgenommen hatte, auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift schränke auch die Akquise-Tätigkeit und die Werbemöglichkeit von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen nicht ein. Werbung sei ihnen erlaubt, aber die "Mandatsvermittlung" durch Dritte weiterhin verboten. Auch aus dem EU-Recht ergebe sich keine andere Sichtweise. Verboten sei nur der An- und Verkauf von Mandaten, der auch nicht in einem notwenigen Zusammenhang mit einer kommerziellen Kommunikation der Anwaltschaft stehe. 

BGH: Vertrag mit Kanzlei ist nichtig

Die Rechtsfolge ist nach Ansicht des BGH eindeutig: Da es sich um einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot handele, sei der zugrundeliegende Vertrag gem. § 134 BGB nichtig. Der Klageanspruch ergebe sich auch nicht aus dem Bereicherungsrecht, da insbesondere § 817 S. 2 BGB eingreife. Denn die Klägerin habe sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, dass man gegen die BRAO verstoße. Der verklagten Rechtsanwaltskanzlei könne schließlich auch keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden, die einen Zahlungsanspruch auslösen könnte. 

Den Vorteil hat jetzt die Leipziger Kanzlei, die die Vermittlungsgelder nicht zahlen muss. Die Kanzlei selbst dürfte mit den Mandaten, je nachdem wie umfangreich sie waren und wie es nach dem Erlass des Bußgeldbescheids weitergegangen ist, je zwischen 300 und 500 Euro netto verdient haben. Die Vermittlung über die Plattform hat sich für sie also gelohnt, für den Vermittler nicht. 

Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung für alle Vermittlerinnen und Vermittler anwaltlicher Dienstleistungen. Stellen sie entsprechende Plattformen zur Verfügung, dann dürfen sie zwar die Kosten für diese Dienstleistung, also etwa für die Software, den Betrieb der Homepage etc. den teilnehmenden Kanzleien in Rechnung stellen, aber nicht mehr. Insbesondere dürfen die Rechnungen nicht an die Vermittlung konkreter Mandate anknüpfen. Es sind also quasi nur Pauschalen möglich, die sich nicht auf konkrete Mandate beziehen. Dass das Vermittlungsverbot auch aus Gründen überwiegender Interessen des Allgemeinwohls zulässig ist, ist nahezu einhellige Auffassung in der berufsrechtlichen Literatur. Und das ist im Ergebnis auch richtig, denn einen Mandatshandel darf es nicht geben. 

Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und war lange Jahre Geschäftsführer der Anwaltskammer Köln. Er publiziert regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht.

BGH, Urteil vom 18.04.2024 - IX ZR 89/23

Gastbeitrag von Martin W. Huff, 28. Mai 2024.