Schluss mit Gut­schei­nen: Nach dem zwei­ten an­nul­lier­ten Flug gibt es Geld

Auch wenn ein Pas­sa­gier einen Flug mit einem Gut­schein ge­bucht hat, den er für einen stor­nier­ten Flug er­hal­ten hat, kann er nicht per AGB ver­pflich­tet wer­den, bei er­neu­ter An­nul­lie­rung wie­der einen Gut­schein zu ak­zep­tie­ren. Der BGH sah in der Klau­sel einen Ver­stoß gegen die Flug­gast­rech­te­ver­ord­nung.

Vier Pas­sa­gie­re buch­ten bei einer Flug­ge­sell­schaft für Mai und Juni 2020 Flüge für ins­ge­samt 479,96 Euro. Zwi­schen­zeit­lich wurde ein In­sol­venz­ver­fah­ren er­öff­net. Wäh­rend das Ver­fah­ren dann lief, wurde der Flug – bei fort­lau­fen­dem Be­trieb – pan­de­mie­be­dingt stor­niert und den Gäs­ten ein Gut­schein in Höhe des Flug­prei­ses aus­ge­stellt. Den lös­ten sie im No­vem­ber 2020 – kurz bevor das In­sol­venz­ver­fah­ren mit einem In­sol­venz­plan ab­ge­schlos­sen wurde – für eine Flug­rei­se nach Grie­chen­land ein. Doch ir­gend­wie stan­den die Rei­se­plä­ne unter kei­nem guten Stern: Auch die­ser Flug wurde kurz vor Ab­flug – ent­schä­di­gungs­los – stor­niert.

Das nah­men die ent­täusch­ten Kun­den so nicht hin: Sie tra­ten ihre An­sprü­che an einen Dienst­leis­ter ab, der vor Ge­richt eine voll­stän­di­ge Er­stat­tung der Flug­kos­ten nebst einer Aus­gleichs­zah­lung in Höhe von 1.600 Euro nach § 398 Satz 2 BGB in Ver­bin­dung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Flug­gast­rech­te-Ver­ord­nung (VO (EG) Nr. 261/2004) ver­lang­te.

Vor dem Hin­ter­grund der Frage, ob es sich bei der For­de­rung der Pas­sa­gie­re um eine Mas­se­ver­bind­lich­keit han­del­te, was der BGH be­jah­te, ent­schied der für In­sol­venz­sa­chen zu­stän­di­ge IX. Zi­vil­se­nat (Ur­teil vom 16.01.2025 – IX ZR 236/23) hier eine rei­se­recht­li­che Frage mit und sprach den Flug­gäs­ten auch in letz­ter In­stanz einen An­spruch auf voll­stän­di­ge Er­stat­tung zu.

Ver­stoß gegen zwin­gen­des Recht

Auch wenn die ur­sprüng­li­che For­de­rung eine In­sol­venz­for­de­rung war, die nach Plan hätte be­dient wer­den müs­sen, sei der neue Flug (trotz Gut­schein) eine Mas­se­ver­bind­lich­keit. Bei der Flug­bu­chung im No­vem­ber 2020 han­de­le es sich schlie­ß­lich um einen nach Er­öff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens neu ab­ge­schlos­se­nen Be­för­de­rungs­ver­trag.

Der Um­stand, dass der ge­buch­te Flug nicht in bar, son­dern mit einem Gut­schein be­zahlt wurde, än­de­re daran nichts, so der BGH wei­ter. Er hätte "als Be­zah­lung" für jeden von der Flug­ge­sell­schaft oder ihren Part­ner-Air­lines an­ge­bo­te­nen Flug ein­ge­setzt wer­den kön­nen. So habe die Flug­ge­sell­schaft die Gut­schrift an Er­fül­lung statt ak­zep­tiert und die Bu­chung be­stä­tigt. Die Gäste seien auch weder kos­ten­los ("Die (…) Bu­chung er­folg­te zum re­gu­lä­ren Preis", da "der Gut­schein das ent­spre­chen­de Ent­gelt für einen sol­chen Flug wert" war) noch zu einem re­du­zier­ten Tarif ge­reist, so dass auch der Aus­schluss­tat­be­stand aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 Flug­gast­rech­te-VO nicht grei­fe.

Dass die Flug­ge­sell­schaft den Gäs­ten noch einen wei­te­ren Gut­schein aus­stell­te, war den Karls­ru­her Rich­te­rin­nen und Rich­ter zu­fol­ge un­wirk­sam, da keine schrift­li­che Zu­stim­mung vor­ge­le­gen habe. Zwar war in den Gut­schein­be­din­gun­gen vor­ge­se­hen, dass im Falle der An­nul­lie­rung eines mit­tels Gut­scheins ge­buch­ten Flugs wie­der­um ein sol­cher er­teilt werde. Diese Klau­sel ver­sto­ße aber gegen zwin­gen­des Recht (Art. 15 Flug­gast­rech­te-VO) und sei daher un­wirk­sam: Nach Art. 8 Flug­gast­rech­te-VO hät­ten Pas­sa­gie­re An­spruch auf eine voll­stän­di­ge Er­stat­tung. Art. 7 Abs. 3 Flug­gast­rech­te-VO be­stim­me die Mo­da­li­tä­ten. Eine Er­stat­tung durch Gut­schein sei da­nach nur mit schrift­li­chem Ein­ver­ständ­nis des Pas­sa­giers zu­läs­sig.

BGH, Urteil vom 16.01.2025 - IX ZR 236/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 24. Januar 2025.

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