Eine Rechtsanwältin vertrat fünf Beklagte, die vor dem Landgericht zur Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 45.600 Euro verurteilt wurden. An dem Tag, an dem die Rechtsmittelfrist ablief, wurde die Anwältin krank. Sie fuhr heim, schlief ein paar Stunden und kehrte abends um 19 Uhr in die Kanzlei zurück, um die Berufung einzulegen. Aber: Sie kam nicht in die Büroräume, weil sie den Schlüssel am Mittag versehentlich dort gelassen hatte. Eine Kollegin befand sich auf einem Auswärtstermin, von den anderen und der Angestellten hatte sie die Telefonnummer nicht im Handy gespeichert. Am darauffolgenden Montag beantragte sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO – vergeblich. Weder OLG noch der BGH gaben dem Antrag statt.
Wirklich alles versucht?
Der BGH (Beschluss vom 11.07.2024 – IX ZB 31/23) schloss sich der Argumentation des OLG München an: Die Prozessbevollmächtigte hatte nicht dargelegt, welche Anstrengungen sie unternommen hatte, um etwa einen Vertreter oder eine Vertreterin einzuschalten, nachdem sie ihre missliche Lage erkannte. Sie hatte bei ihrer Kollegin, die auswärtig war, noch nicht einmal die Kontaktdaten weiterer Kollegen erfragt. Damit hatte sie nach Ansicht der Karlsruher Richterinnen und Richter nicht entsprechend § 233 ZPO belegt, dass sie schuldlos hinsichtlich der versäumten Frist war.
Wer eine Notfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, betonte der IX. Senat, muss Vorkehrungen treffen, um das damit verbundene erhöhte Risiko abzufedern. Wenn nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten, könne dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben werden. Insoweit fragten sich die Bundesrichterinnen und Richter auch, warum die Anwältin nicht zu ihrer Kollegin im Auswärtstermin gefahren sei, um den Kanzleischlüssel abzuholen? Und warum hatte sie keinen Schlüsseldienst beauftragt?