Ein Rechtsanwalt führte die Klage aus Insolvenzanfechtung einer finanziell Bedürftigen beim Landgericht auf Prozesskostenhilfebasis. Nachdem er eine ungünstige Entscheidung erhalten hatte, legte er Berufung zum OLG ein. Kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beantragte er Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz und begründete den PKH-Antrag ausführlich. Er reichte allerdings keinen Entwurf einer Berufungsbegründungsschrift ein. Er versicherte ferner anwaltlich, nicht bereit zu sein, das Berufungsverfahren ohne Finanzierung durchzuführen.
Das Berufungsgericht lehnte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist den PKH-Antrag ab und kündigte die Verwerfung der Berufung wegen Säumnis an. Der Anwalt beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und machte die Mittellosigkeit seiner Mandantin als Grund der Säumnis geltend. Er holte die Berufungsbegründung nach und erhob die Anhörungsrüge gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung. Das OLG lehnte sämtliche Anträge ab. Die Rechtsbeschwerde zum BGH war allerdings größtenteils erfolgreich.
Mittellosigkeit als Ursache der versäumten Frist
Der BGH (Beschluss vom 06.08.2024 – IX ZB 26/23) gewährte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO, da die Säumnis unverschuldet eingetreten sei. Der IX. Zivilsenat wies auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach im Regelfall vermutet werde, dass die Bedürftigkeit Ursache für die versäumte Frist sei, wenn zunächst die Entscheidung über den PKH-Antrag abgewartet werde. Diese Vermutung könne aber erschüttert werden, etwa wenn dem Antrag ein vollständiger und unterschriebener Entwurf der Berufungsbegründung beigelegen hätte. In diesem Fall habe der Anwalt bereits die volle Leistung erbracht und könne sich nicht mehr darauf berufen, nur bei Bewilligung der PKH tätig werden zu wollen.
Hier habe sich aber der Prozessbevollmächtigte nur in seinem Antrag ausführlich rechtlich mit dem Landgerichtsurteil auseinandergesetzt, um die Erfolgsaussichten darzulegen. Außerdem habe er anwaltlich versichert, das Rechtsmittelverfahren nicht ohne Absicherung führen zu wollen. Eine Berufungsbegründung habe er nicht eingereicht. Die Bewertung der ausführlichen Antragsbegründung als eine "de facto" Berufungsbegründung durch das OLG lehnte der BGH ab: "Der – wünschenswerten (…) – Begründung eines Prozesskostenhilfegesuchs kann nicht die Erklärung beigemessen werden, die dort gegebene Begründung stelle in Umfang und Tiefe die von der mittellosen Partei nach einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe angestrebte Berufungsbegründung dar. Aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags kann auch nicht geschlossen werden, ein Prozessvertreter sei bereit, die dortige Begründung unter Übernahme der vollen haftungsrechtlichen anwaltlichen Verantwortung als Berufungsbegründung einzureichen."
Die Ablehnung des PKH-Antrags allerdings konnte der BGH nicht aufheben. Insoweit verwies er aber darauf, dass der Antrag erneut gestellt werden könne, weil der Ablehnungsbeschluss nicht in Rechtskraft erwachse.