Eine Frau hatte nach ihrer Scheidung von 2004 vor dem AG Mannheim Klage auf Zugewinnausgleich eingereicht. Ihr Ex-Mann reichte seine Gegenansprüche beim AG in Delmenhorst ein. Das AG Delmenhorst regte aus prozessökonomischen Gründen ein Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in Mannheim an. Damit waren die Geschiedenen einverstanden. Das Verfahren in Mannheim zog sich allerdings hin. Zehn Monate, nachdem das Ruhen angeordnet worden war, rief die Anwältin des Ehemanns das Delmenhorster Verfahren wieder auf. Die Ehefrau erhob die Einrede der Verjährung. Das norddeutsche Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass die Hemmung der Verjährung wegen Nichtbetreibens nach sechs Monaten weggefallen sei (§ 204 Abs. 2 S. 2 BGB), was die Verjährung bedeutete. Daraufhin verklagte der Mann seine Anwältin und die Kanzlei auf Schadensersatz in Höhe von rund 86.000 Euro.
Zwischenzeitlich sah es für die Juristen gut aus: Das OLG Bremen wies die Klage ab, da es davon ausging, dass die Familiengerichte (und das LG Bremen in erster Instanz) die Verjährungshemmung falsch beurteilt hätten: Für das Ruhen des Verfahrens habe es einen triftigen Grund gegeben. Die Zustimmung der Ehefrau zum Ruhen mit Blick auf das Parallelverfahren sei als befristeter Verjährungsverzicht zu werten. Auch dürfe sie sich nach Treu und Glauben, § 242 BGB, nicht auf die Verjährung berufen.
Der BGH sah das anders. Er hob das Urteil zugunsten des Manns auf und verwies die Sache zurück (Urteil vom 19.09.2024 – IX ZR 130/23). Dem für Anwaltshaftung zuständigen IX. Zivilsenat des BGH zufolge hätte die Anwältin berücksichtigen müssen, dass das AG Delmenhorst die Hemmung für beendet hätte ansehen können. Die rechtliche Unsicherheit zeige sich hier schon daran, dass drei Gerichte vom Ende der Hemmung ausgegangen seien, bevor das OLG Bremen die Rechtslage genau umgekehrt bewertet habe. Nach dem "Grundsatz des sichersten Wegs" hätte die Anwältin somit vorsorgen müssen. Der BGH wies auf Optionen hin, über die der Mandant hätte aufgeklärt werden müssen: Beispielsweise hätte ein Verjährungsverzicht mit der Ex-Frau vereinbart werden können. Alternativ sei es trotz der Anregung durch das Familiengericht denkbar gewesen, das Ruhen nicht zu beantragen.