Wenn Versicherungsunternehmen mit den Beiträgen der Versicherten Überschüsse erwirtschaften, sind sie verpflichtet, diese wieder an ihre Kundinnen und Kunden auszuschütten. Weil sie der Meinung war, dass die Allianz hierbei unausgewogen vorgehe und einige Versicherte benachteilige, klagte die Verbraucherzentrale Hamburg gegen die Ausschüttungspraxis des Konzerns. Nach einem sechs Jahre dauernden Verfahren hat der BGH der Allianz nun aber recht gegeben (Urteil vom 18.09.2024 - IV ZR 436/22).
Streit entstanden war darum, dass die Allianz ihre Versicherten je nach Police unterschiedlich an den Überschüssen beteiligte. Diejenigen mit einem Vertrag ab 2017 erhielten eine höhere Ausschüttung als Versicherte, deren Police zwischen 1994 und 2016 abgeschlossen worden war. Die Verbraucherzentrale sah darin eine Benachteiligung der älteren Versicherten und argumentierte, die Überschüsse würden schließlich mehrheitlich durch die Beiträge der älteren Versicherten generiert.
Darin sah man einen Verstoß gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV) und den versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in § 138 Abs. 2 VAG. In Streit standen zudem diverse Klauseln in den AGB, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen der Allianz. Vor dem LG Stuttgart hatte die Verbraucherzentrale noch teilweise Erfolg, die Allianz wurde u. a. zur Unterlassung der Verwendung einiger Klauseln in den Versicherungsbedingungen zum Stornoabzug verurteilt. Die Praxis zur Ausschüttung von Überschüssen hingegen ließ das LG durchgehen. Das OLG beanstandete schließlich noch einige weitere Klauseln, befand aber die Ausschüttungsverhältnisse ebenfalls für rechtmäßig.
BGH: Versicherungsrecht steht vergünstigten Überschussbeteiligungen nicht entgegen
Dem schloss sich der IV. Zivilsenat des BGH nun an und wies die Revision der Verbraucherzentrale im Wesentlichen zurück, während er der Allianz, die ebenfalls in Revision gegangen war, teilweise recht gab.
Die Praxis der Überschussverteilung verstoße nicht gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 MindZV, da dieser den Versicherern nicht aufgebe, "bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der einzelnen Versicherungsverträge mit den jeweils vereinbarten rechnungsmäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen und nur den verbleibenden Teil als Überschuss zu verwenden." Die Unternehmen dürften Versicherten aus unterschiedlichen Tarifgenerationen und mit unterschiedlichem Garantiezins eine einheitliche Gesamtverzinsung zuzuteilen, wenn diese nicht hinter dem Garantiezins zurückbleibe. Eine sog. "risikoadjustierte Gesamtverzinsung", wie sie der Versicherer hier vorgenommen habe, sei zulässig. Dabei wird den Verträgen mit einer höheren Garantieverzinsung eine im Verhältnis zu ihrem Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zugeteilt als anderen mit einem niedrigeren Rechnungszins.
Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen der Allianz, wonach die Abschluss- und Vertriebskosten in gleichmäßigen Jahresbeträgen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, hielt der Senat ebenfalls für rechtmäßig, ebenso wie einige Klauseln zum Stornoabzug für erhöhte Verwaltungsaufwendungen bei Beitragsfreistellung und Kündigung.
Verbraucherzentrale befürchtet, vergünstigte Überschussbeteiligungen könnten Schule machen
"Die Überschussbeteiligung der Allianz Perspektive ist unausgewogen und benachteiligt vor allem Kundinnen und Kunden mit älteren Verträgen, die zwischen 1994 und 2016 abgeschlossen wurden", teilte Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg am Mittwoch in einem Presse-Statement mit. "Wir bedauern, dass wir den BGH nicht von unserer Rechtsauffassung überzeugen konnten. Immerhin ist nun geklärt, wie die Überschüsse verwendet werden dürfen. So ist es der Allianz leider weiterhin erlaubt, die älteren Verträge zu benachteiligen, indem diesen eine geringere Überschussbeteiligung zugeteilt wird als den jüngeren Verträgen. Auf diesem Wege werden die jüngeren Verträge künstlich aufgehübscht."
Sie rechne damit, dass sich das Urteil zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Vertrieb von Rentenversicherungen auswirken werde, so Klug. "Wir befürchten, dass die begünstigte Überschussbeteiligung von jüngeren Verträgen Schule macht und Vertriebskräfte dies als absatzförderndes Argument nutzen. Dadurch wird eine kapitalbildende Versicherung aber immer noch nicht zu einem bedarfsgerechten Produkt."