Eine Millionärin hinterließ nach ihrem Tod einen Nachlass in Höhe von rund 1.256.000 Euro. Laut Testament war ihr Ehemann Alleinerbe. Die beiden Kinder waren als Ersatzerben eingesetzt, danach sollten ihre Nachkommen zum Zug kommen. Die Frau des Sohns war tatsächlich schwanger, als ihre Schwiegermutter starb. Hauptsächlich wegen der enormen Erbschaftssteuerbelastung schlugen der Ehemann und die beiden Kinder für sich das Erbe aus. Der Sohn auch für sein ungeborenes Kind. Die Idee dahinter war, die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen, so dass sich die Erbschaftssteuer auf den Ehemann und die beiden Kinder verteilen sollte.
Das Nachlassgericht schickte den Sohn zum Familiengericht, da es davon ausging, dass die Ausschlagung für den mittlerweile geborenen Säugling genehmigt werden müsse. Nachdem sich das FamG weigerte – den Kleinen erwarte viel Geld – lehnte das Nachlassgericht die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ab. Das OLG wies die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge zurück, da die genehmigungsfreie Ausschlagung durch die Eltern nach § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB für diesen Fall der sogenannten "lenkenden Ausschlagung", die zu einem wirtschaftlichen Gewinn der Eltern führe, teleologisch reduziert werden müsste.
Für eine einschränkende Anwendung des § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB sah der IV. Zivilsenat des BGH keinen Grund und gab der Rechtsbeschwerde des Witwers statt (Beschluss vom 04.09.2024 – IV ZB 37/23). Nach Ansicht der Richterinnen und Richter waren der Ehemann und dessen beide Kinder – entgegen der Auffassung des OLG – zu gesetzlichen Erben der Verstorbenen geworden. Eine Regelungslücke, die es rechtfertigen würde, als Analogie eine zusätzliche Genehmigung einzuführen, bestehe nicht.
Keine Genehmigung durch Familiengericht erforderlich
"Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber übersehen hätte, eine Regelung für den Fall der (genehmigungsfreien) "lenkenden" Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses zu treffen, liegen nicht vor", betont der BGH. Dies belege bereits die Entstehungsgeschichte des § 1643 BGB. So habe der Gesetzgeber einen Interessenkonflikt nicht für möglich gehalten, wenn zunächst der Elternteil die ihm zugefallene Erbschaft wegen der Erbfolge aus dem Testament beschränkt ausschlägt und anschließend als gesetzlicher Vertreter seines als Ersatzerbe berufenen minderjährigen Kindes für dieses die Erbschaft ausschlägt. Dies gelte auch, wenn der Nachlass wie hier werthaltig sei und die Ausschlagung nur selektiv erfolge.
Auch Sinn und Zweck der Norm erforderten keine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs im Fall der "lenkenden" Ausschlagung. Denn selbst ein Interessenkonflikt rechtfertige es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht, die Wirksamkeit der "lenkenden" Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses von einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig zu machen.