Notar schuldet Pflichtteilsberechtigtem kein Nachlassverzeichnis

Ein Notar übernimmt den Auftrag, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, bleibt aber untätig. Dann kann nur der Erbe die Notarbeschwerde einreichen. Die für die Haftung entwickelten Kriterien, wonach auch mittelbar Betroffene geschützt werden, sind auf die Untätigkeit nicht übertragbar, so der BGH.

Im Juli 2019 hatte die Erbin eines im Mai 2018 Verstorbenen einen Notar damit beauftragt, ein notarielles Nachlassverzeichnis anzufertigen – es waren Pflichtteilsansprüche angemeldet worden. Trotz mehrfacher Nachfragen des Pflichtteilsberechtigten erstellte der Notar das Verzeichnis aber nicht. 2022 platzte dem Berechtigten schließlich der Kragen, er erhob Notarbeschwerde wegen Untätigkeit nach § 15 BNotO.

Als der unter anderem für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH vier Jahre später, am 19.07.2023, abschließend über die Sache entschied, gab es immer noch kein Verzeichnis. Der BGH konnte dem Mann aber trotzdem nicht weiterhelfen: Es fehle ihm an der nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO in Verbindung mit § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG erforderlichen materiellen Beschwer – er müsse sich an den Erben halten.

BGH: Fürs Nachlassverzeichnis ist nur der Erbe Auftraggeber

„(…) nur der Erbe (ist) Auftraggeber des notariellen Nachlassverzeichnisses; der Pflichtteilsberechtigte selbst ist nicht antragsbefugt und nicht berechtigt, vom Notar die Aufnahme des Verzeichnisses zu verlangen.“, bestätigen die Karlsruher Richter die Ansicht des Landgerichts.

Der durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfüllende Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben nach § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BGB werde durch eine Verweigerung der Notartätigkeit ebenso wenig beeinträchtigt wie sein Pflichtteilsanspruch aus § 2303 BGB. Er könne seinen Anspruch uneingeschränkt gegenüber dem Erben geltend machen und gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen.

Die zu § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO (Amtspflichtverletzung) entwickelten Kriterien, wonach auch nur mittelbar betroffene Dritte zu den geschützten Personen zählen, seien nicht auf die Beschwerdebefugnis für die Untätigkeitsbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO, § 59 Abs. 1 FamFG zu übertragen, stellt der BGH klar. Der Kreis der geschützten Dritten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO sei weiter als derjenige der Personen, deren Rechte durch eine Tätigkeitsverweigerung des Notars nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO berührt werden. Zudem stehe im Rahmen von § 15 Abs. 2 BNotO, anders als bei § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, keine Amtspflichtverletzung des Notars im Vordergrund, sondern eine Verletzung der Rechte der Beteiligten.

BGH, Beschluss vom 19.07.2023 - IV ZB 31/22

Redaktion beck-aktuell, 23. August 2023.