Ungeliebtes Nachlassverzeichnis: Notar muss Auftrag beenden

Auch wenn es schon ein Jahr gedauert hat: Die Hürde für einen Notar, die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu verweigern, ist laut BGH hoch. Ein großer Zeitaufwand könne nur in Ausnahmefällen Grund sein, einen Auftrag nicht auszuführen.

Eine Alleinerbin beauftragte einen Notar mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses nach § 2314 BGB. Nachdem ihr Lebensgefährte verstorben war, hatten die Pflichtteilsberechtigten dies gerichtlich gegen sie durchgesetzt. Der Notar stellte zunächst zwar eigene Ermittlungen an (per Eigentümerrecherche in den elektronischen Grundbüchern der umliegenden Amtsgerichte sowie einer Auskunftsanfrage bei zehn Kreditinstituten). Da der Verstorbene aber nur kurze Zeit der Lebensgefährte der Erbin war, konnte die Hinterbliebene über viele Sachverhalte nur Mutmaßungen anstellen. Daher sah sich der Notar außerstande, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, und lehnte die Erstellung eines vollständigen Nachlassverzeichnisses ab.

Die Vorinstanz war seiner Meinung: Mithilfe dieser Daten könne er kein umfassendes und inhaltlich richtiges Nachlassverzeichnis erstellen. Andernfalls würde er eine unvollständige Urkunde errichten. Hilfsweise berief sich der Notar darauf, dass die Arbeit unzumutbar sei: Er habe sich bereits mehr als ein Jahr mit dem Nachlassverzeichnis beschäftigt. Nach erfolgreicher Notarbeschwerde der Frau beim BGH muss er nun jedoch wieder ran.

Nach Ansicht des für das Erbrecht zuständigen IV. Zivilsenats des BGH war der Notar entgegen der Entscheidung des LG nicht berechtigt, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses abzulehnen (Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23). Bislang habe er noch nicht alle Ermittlungsmöglichkeiten (z.B. hinsichtlich von fehlenden Kontoauszügen) ausgeschöpft. Auch ohne entsprechende Zwangsmittel gegen die Erbin hätte er – wegen der ihm obliegenden eigenständigen Ermittlungspflicht – weitere Nachforschungen anstellen müssen.

Hohe Anforderungen an die Verweigerung

Dazu hätte er, so der BGH weiter, etwa bislang fehlende Kontoauszüge besorgen und sichten müssen, zum einen hinsichtlich des fiktiven Nachlasses, zum anderen hinsichtlich etwaiger Schenkungen des Erblassers (etwa an die minderjährige Enkelin) in den letzten zehn Jahren vor dessen Tod. Da die Erbin wohl selbst nicht im Besitz der Kontoauszüge gewesen sei, hätte der Notar sich bemühen müssen, Einsicht zu erhalten. Anhaltspunkte, dass er Entsprechendes veranlasst habe, oder den gesetzlichen Vertreter sowie sämtliche Pflichtteilsberechtigte zu möglichen Schenkungen befragt habe, bestünden nicht.

Der mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses verbundene Zeitaufwand könne allenfalls theoretisch im Ausnahmefall – der hier nicht gegeben sei – einen ausreichenden Grund nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO für die Verweigerung darstellen. Auch nach Abschluss der Ermittlungen trotz Mitarbeit der Erbin verbleibende Unsicherheiten seien kein Grund: "Stellt der Notar im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die gebotenen Nachforschungen an und wirkt der Erbe bei der Sachaufklärung im erforderlichen und zumutbaren Umfang mit, berechtigen verbleibende Unklarheiten den Notar nicht zur Verweigerung seiner Amtstätigkeit", entschieden die Richterinnen und Richter. Vielmehr habe er den zugrunde liegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufzunehmen und seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen.

BGH, Beschluss vom 19.06.2024 - IV ZB 13/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 9. Juli 2024.