Irr­tum bei len­ken­der Er­b­aus­schla­gung

Schlägt je­mand eine Erb­schaft aus, weil er denkt, dass da­durch seine Mut­ter zur Al­lein­er­bin wird, kann er diese Er­klä­rung nicht an­fech­ten, wenn er er­fährt, dass eine an­de­re Per­son in die Erb­fol­ge ein­tritt. Der Bun­des­ge­richts­hof be­trach­tet dies als einen un­be­acht­li­chen Mo­ti­virr­tum, der nicht zur An­fech­tung be­rech­tigt. Ein Erbe soll­te sich vor der Aus­schla­gung über alle tat­säch­li­chen und recht­li­chen Um­stän­de des Erb­falls in­for­mie­ren.

Aus­schla­gung soll­te Mut­ter zur Al­lein­er­bin ma­chen

Nach­dem ein Fa­mi­li­en­va­ter ge­stor­ben war, ohne eine letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung zu hin­ter­las­sen, schlu­gen alle seine Ab­kömm­lin­ge das Erbe aus, um der Witwe die Stel­lung als Al­lein­er­bin zu ver­schaf­fen. Was sie nicht wuss­ten: Der Erb­las­ser hatte noch eine Schwes­ter. Sie und wei­te­re Halb­ge­schwis­ter des Va­ters wür­den durch die Er­b­aus­schla­gung der Ab­kömm­lin­ge nun statt ihrer erben. Einer der Söhne focht seine Aus­schla­gungs­er­klä­rung dar­auf­hin an, weil das Ziel sei­ner Er­b­aus­schla­gung gründ­lich ver­fehlt wurde. Seine Mut­ter be­an­trag­te einen ge­mein­schaft­li­chen Erb­schein für sich und ihren Sohn als Mit­er­ben zu ½. Das Nach­lass­ge­richt Essen wies den An­trag zu­rück. Auch vor dem Ober­lan­des­ge­richt Hamm und dem Bun­des­ge­richts­hof war sie nicht er­folg­reich.

Sohn erbt nicht

Die An­fech­tung der Er­b­aus­schla­gung des Soh­nes ist dem BGH zu­fol­ge un­wirk­sam, weil sein Vor­brin­gen kei­nen recht­lich be­acht­li­chen An­fech­tungs­grund nach den §§ 119 ff. BGB be­grün­det. Grund­sätz­lich könne zwar auch eine Er­klä­rung an­ge­foch­ten wer­den, wenn der Er­klä­ren­de über die Rechts­fol­gen sei­ner Wil­lens­er­klä­rung irre. Das gelte aber nur, wenn das vor­ge­nom­me­ne Rechts­ge­schäft we­sent­lich an­de­re als die be­ab­sich­tig­ten Wir­kun­gen er­zeu­ge. Bei einer len­ken­den Er­b­aus­schla­gung lehnt der IV. Zi­vil­se­nat das aber ab: Hier han­de­le es sich um einen bloß un­be­acht­li­chen Mo­ti­virr­tum, weil der Sohn nur über mit­tel­ba­re Rechts­fol­gen sei­ner Aus­schla­gung ge­irrt habe, indem er dach­te, dass nun seine Mut­ter Al­lein­er­bin wird.

Streit um "len­ken­de Aus­schla­gung" ge­klärt

Die Karls­ru­her Rich­ter be­grün­den ihre An­sicht vor allem mit dem Wort­laut des § 1953 Abs. 1 BGB: Da­nach be­wirkt die Aus­schla­gung nur, dass der Aus­schla­gen­de nicht erbt. Wer aber statt­des­sen erbe, re­ge­le § 1953 BGB ge­ra­de nicht. Die we­sent­li­che und un­mit­tel­ba­re Wir­kung der Aus­schla­gung be­stehe darin, dass der Er­klä­ren­de seine Er­ben­stel­lung auf­ge­be. Wer nun statt­des­sen in die Erb­fol­ge ein­tre­te, rich­te sich hier nach den §§ 1924 ff. BGB. Ein Irr­tum hier­über re­sul­tiert laut dem BGH aus einer feh­ler­haf­ten An­wen­dung der Vor­schrif­ten über die ge­setz­li­che Erb­fol­ge, kann aber keine we­sent­li­che und un­mit­tel­ba­re Rechts­wir­kung der Aus­schla­gung her­bei­füh­ren. Auch die be­son­de­re In­ter­es­sen­la­ge bei der Aus­schla­gung, dass schnell ge­klärt wer­den müsse, wer nun Erbe wird oder nicht, spricht für diese Aus­le­gung. Die Rechts­si­cher­heit ver­bie­te es, die Rechts­fol­gen vom Motiv der Er­klä­rung ab­hän­gig zu ma­chen. Der Aus­schla­gen­de müsse sich vor Ab­ga­be sei­ner Er­klä­rung über die tat­säch­li­chen und recht­li­chen Um­stän­de des Erb­falls kun­dig ma­chen.

BGH, Beschluss vom 22.03.2023 - IV ZB 12/22

Redaktion beck-aktuell, 18. April 2023.

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