Irreführender Tarifrechner? EuGH-Vorlage zu Informationspflichten eines Stromanbieters

Auf Vorlage des BGH soll der EuGH klä­ren, ob Preis­be­stand­tei­le wie ein pau­scha­ler Auf­schlag als Teil der "Art der Preis­be­rech­nung" be­reits im Ta­rif­rech­ner - statt erst in den AGB - konkret angegeben werden müssen, oder dort ein allgemeiner Hinweis auf die Bestandteile ausreicht.

Ein Stromversorger bietet auf seiner Internetseite einen Tarifrechner an, den auch Heizstrom-Bezieher mit einem Doppeltarifzähler nutzen können, der den Stromverbrauch getrennt für die günstigere nächtliche "Nieder"- und die teurere "Hochtarif"-Zeit erfasst. Es ist aber nicht erkennbar, ob der günstigere Strom für die Heizung oder anderweitig genutzt wird.

Daher geben einige Verteilnetzbetreiber eine "Ausgleichsmenge" vor, mit der pauschal ein Teil des Niedertarif-Verbrauchs dem Hochtarif zugeschlagen wird. Der Stromversorger reicht diesen Aufschlag (hier 25%) an seine Kunden weiter. Die Niedertarifzeiten und die festgelegte Ausgleichsmenge stehen in den AGB, die im Bestellvorgang durch Anklicken bestätigt werden müssen. 

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) moniert, dass der vom Tarifrechner angezeigte Preis zu niedrig sei, weil die Ausgleichsmengen nicht berücksichtigt werden. Auch würden die Kunden im gesamten Bestellvorgang "nicht ausdrücklich bei der Abrechnungsweise für Heizstrom auf die konkrete Ausgleichsmenge" hingewiesen. Der vzbv verlangt deshalb wegen irreführender Werbung Unterlassung.

Vorenthalten einer wesentlichen Information?

Seine Klage scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Der BGH hat den EuGH zur Auslegung des Art. 7 Abs. 1 und 4 lit. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken eingeschaltet. Er will wissen, wie in Bezug auf ein mögliches Vorenthalten einer wesentlichen Information nach § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG die "Art der Preisberechnung" zu definieren ist.

Die Werbung des beklagten Anbieters mit einem – vom Tarifrechner ausgegebenen – Heizstrom-Tarif stelle eine Aufforderung zum Kauf und damit ein Angebot im Sinn des § 5b Abs. 1 UWG dar. Da die maßgebliche geschäftliche Entscheidung bereits in der Einleitung des Bestellvorgangs liege, sei der Hinweis auf die Ausgleichsmenge in den AGB zu spät. Die Beklagte müsse deshalb bereits mit der Aufforderung zum Kauf gemäß §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG über die "Art der Preisberechnung" informieren.

Konkrete Ausgleichsmenge anzugeben?

Laut BGH stellt sich aber die Frage, ob die erforderliche Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung den Kunden in die Lage versetzen muss, selbst den Preis anhand seines Verbrauchs zu berechnen. Um eine informierte Entscheidung treffen zu können, benötige der Verbraucher die Angabe des konkreten Prozentsatzes der Ausgleichsmenge. Anderenfalls könnte er zu einem Vertrag verleitet werden, den er sonst nicht geschlossen hätte.  

Es sei aber unklar, ob nach Art. 7 Abs. 1 und 4 lit. c der Richtlinie 2005/29/EG die Angabe der konkreten Ausgleichsmenge erforderlich sei. Denn nach dem Wortlaut "Art der Preisberechnung" könnte auch eine bloß allgemeine Information über die Bestandeile der Berechnung und die Einzelheiten der Berechnung des Preises genügen. Der diesbezügliche Unterlassungsantrag der Verbraucherzentrale Bundesverband bezieht sich aber nur auf Werbung mit einem Angebot für Heizstrom ohne Hinweis auf die konkrete Ausgleichsmenge, würde bei letzterer Auslegung also scheitern.

BGH, Beschluss vom 27.07.2023 - I ZR 65/22

Redaktion beck-aktuell, 10. August 2023.

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