Insolvenzverwalter müssen sich mit Anfechtungen beeilen
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Insolvenzverwalter müssen die Konten eines Schuldners in angemessener Zeit überprüfen, ob ein Grund für die Anfechtung von verdächtigen Zahlungen vorliegt. Das hat der BGH entschieden. Wenn sie dies nicht für die letzten drei Jahre tun, handeln sie in der Regel grob fahrlässig.

In dem Streitfall hatte sich der Insolvenzverwalter reichlich Zeit gelassen. Im März 2009 wurde er vom Insolvenzgericht auf den Fall eines pleite gegangenen Unternehmens angesetzt. Das hatte zuvor von seiner Hausbank mehrere Kredite bekommen – einen davon zur Vorfinanzierung einer staatlichen Investitionszulage. Als Sicherheit wurde die Abtretung der Subvention an das Geldhaus vereinbart. Im November 2008 überwies das Finanzamt denn auch über 500.000 Euro, was die Bank prompt mit einem offenen Saldo der Firma verrechnete. Doch drei Monate später musste diese Insolvenz anmelden. Die Bank kündigte ihr sämtliche Geschäftsbeziehungen und meldete eine Forderung zur Insolvenztabelle an.

Erst nach fünf Jahren Kontoauszüge angefordert

So weit, so gut (oder schlecht). Doch entsprechende Kontoauszüge lagen dem Insolvenzverwalter nicht vor, und erst im November 2014 – also über fünf Jahre nach seiner Bestellung – forderte er diese an. Nach deren Prüfung focht er die Verrechnung durch die Bank an, weil sie zum maßgeblichen Zeitpunkt von der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden gewusst habe und das Geld deshalb nicht mehr für sich selbst habe beanspruchen dürfen. Sodann erhob er Klage auf Rückzahlung der vom Finanzamt überwiesenen halben Million Euro; mittlerweile waren weitere drei Jahre ins Land gegangen. Für das OLG Brandenburg hat der Verwalter damit zu spät reagiert – der Rückforderungsanspruch sei inzwischen wegen dessen grob fahrlässiger Unkenntnis des Anfechtungsgrunds durch Ablauf der regelmäßigen Drei-Jahres-Frist (§§ 195, 199 BGB, § 146 Abs. 1 InsO) verjährt. Es hielt dem Mann "schwerwiegende Unterlassungen" vor.

Das ging dem BGH jetzt zu weit (BGH, Urteil vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21). Ein Insolvenzverwalter müsse zwar die ihm bekannten Konten der Hausbank eines Schuldners innerhalb eines angemessenen Zeitraums darauf überprüfen, ob ihm die Kontounterlagen vollständig vorliegen und ob diese Anhaltspunkte für anfechtbare Transaktionen enthalten. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs setze allerdings voraus, "dass der Insolvenzverwalter seine Ermittlungspflichten in besonders schwerer, auch subjektiv vorwerfbarer Weise vernachlässigt hat". In Bezug auf die für eine Anfechtung maßgebliche Drei-Monats-Periode liege zwar normalerweise eine grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Verwalter die ihm bekannten Konten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehr als drei Jahre lang nicht kontrolliere. Allerdings machen die Karlsruher Richter die Einschränkung: Das gilt nur, falls sich ihm aus diesen Unterlagen (wenn er sie denn rechtzeitig angefordert und eingesehen hätte) und zudem wegen sonstiger ihm bekannter Tatsachen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

Fahrlässigkeit nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen

Dabei stellt der Insolvenzrechtssenat strenge Maßstäbe zugunsten der Firmenabwickler und -sanierer auf. "Grob fahrlässige Unkenntnis des Insolvenzverwalters von den tatsächlichen Anfechtungsvoraussetzungen setzt bei ihm eine besonders schwere, auch subjektiv vorwerfbare Vernachlässigung seiner Ermittlungspflichten voraus", heißt es in dem Urteil. Die könne insbesondere dann vorliegen, wenn er einem sich aufdrängenden Verdacht nicht nachgehe oder "auf der Hand liegende, Erfolg versprechende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt"; ebenso wenn er sich die Kenntnis "in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühen und Kosten" beschaffen könnte.

Aus Kontounterlagen könnten sich schließlich für eine Anfechtung maßgebliche Zahlungen an institutionelle Gläubiger wie das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger ergeben, betont der BGH. Demgemäß müsse der Insolvenzverwalter sie auch ohne konkrete Verdachtsmomente auf Vollständigkeit prüfen, ferner nicht oder nicht vollständig vorliegende Dokumente bei dem Kreditinstitut anfordern und diese auswerten. Dafür, wie schnell dies zu geschehen hat, besteht dem Urteil zufolge aber ein angemessener Spielraum. So darf und muss er aus höchstrichterlicher Sicht vordringliche Aufgaben zuerst erledigen, sich dann Schritt für Schritt rückwärts durch die Belege arbeiten und dabei außerdem nach verschiedenen Kriterien differenzieren. Eine Handreichung gibt der IX. Zivilsenat der Praxis aber doch: " Im Regelfall ist spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Grenze der Angemessenheit erreicht."

BGH, Urteil vom 27.07.2023 - IX ZR 138/21

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 4. Oktober 2023.