Insolvenz: Chronisch kranker Ex-Anwalt muss Teil seines Mediatoren-Verdienstes abführen

Auch ein Insolvenzschuldner, der krankheitsbedingt gar nicht mehr arbeiten müsste, muss etwas von seinem selbstständig erzielten Verdienst in die Insolvenzmasse abführen, stellt der BGH klar.  Ein Anwalt, der seine Zulassung zurückgegeben hatte, war während des Insolvenzverfahrens überobligatorisch als angestellter Mediator tätig.

Ein Rechtsanwalt litt an einer schweren Nervenerkrankung – einer sogenannten Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) –, die zu Muskellähmung führt. Über sein Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Zugleich stellte er seine anwaltliche Tätigkeit ein und gab seine Zulassung zurück.

In der Zeit von März 2018 bis November 2019 war er – mit Zustimmung des Verwalters – freiberuflich als Schiedsrichter tätig, wofür er im Monat 2.500 Euro brutto kassierte. Der Verwalter forderte ihn vergeblich auf, einen Teil seiner Honorare in Höhe von rund 11.270 Euro nach § 295 Abs. 2 InsO in die Insolvenzmasse einzuzahlen (monatlich 529 Euro 2018 und monatlich 543 Euro 2019) – und ging vor Gericht.

Das OLG Frankfurt a. M. wies beide Klagen zurück.

Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs stellte sich auf die Seite des Insolvenzverwalters: Der Jurist, der wegen seiner schweren Erkrankung gar nicht mehr arbeiten müsste, es aber doch tut, müsse der Insolvenzmasse einen Teil seines erwirtschafteten Gewinns nach §§ 35 Abs. 2, 295 Abs. 2 InsO der Insolvenzmasse zuführen (Urteil vom 12.10.2023 – IX ZR 162/22).

BGH: Auch überobligatorische Tätigkeit bei Höhe des Abführungsbetrags zu berücksichtigen

Der BGH präzisiert seine bisherige Rechtsprechung, die bislang offen gelassen hatte, ob auch ein Schuldner, der keine abhängige Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt mehr finden kann, aber aus einer selbstständigen Tätigkeit Gewinn erzielt, Abführungsbeträge nach § 35 Abs. 2 S. 2, § 295 Abs. 2 InsO a.F. zahlen muss.  Der Senat stellt klar, dass auch bei einem solchen Schuldner das maßgebliche fiktive Nettoeinkommen nicht mit null Euro anzusetzen sei, er also nicht sämtliche Gewinne für sich behalten dürfe.

Denn es obliege dem Schuldner, schon während des Insolvenzverfahrens zur Befriedigung seiner Gläubiger durch seine Einkünfte beizutragen – unabhängig davon, ob er eine selbstständige Tätigkeit ausübe oder einer abhängigen Beschäftigung nachgehe. Das gelte auch, wenn er nicht arbeiten müsste, also überobligatorisch tätig ist. Den Gläubigern sollten bei einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit des Schuldners jedenfalls Mittel zur Befriedigung ihrer Forderungen in dem Umfang zufließen, wie sie ihnen bei einem abhängig beschäftigten Schuldner über § 35 Abs. 1 InsO zufließen würden.

Die Höhe des Abführungsbetrags ist dem BGH dabei zufolge unter Heranziehung von § 850a Nr. 1 ZPO (Unpfändbare Bezüge) auf den pfändbaren Betrag zu beschränken, den der Schuldner bei unselbstständiger Tätigkeit erzielen würde. So könne er dazu motiviert werden, eine überobligatorische Tätigkeit weiter auszuüben und zum eigenen sowie zum Wohl der Gläubiger Einkünfte zu erzielen. 

BGH, Urteil vom 12.10.2023 - IX ZR 162/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 18. Dezember 2023.