Verbotene Insidergeschäfte: Wertpapiere, nicht Sondervorteil einzuziehen

Bei verbotenen Insidergeschäften an der Börse sind laut BGH die Wertpapiere - nicht wie früher der Sondervorteil - oder im Fall des Verkaufs der Erlös als Wert der Papiere einzuziehen. Dabei reduzierten weder das investierte Kapital noch Kapitalertragsteuern oder Gebühren den einzuziehenden Betrag.

Ein früherer Börsenhändler betrieb verbotene Insidergeschäfte. Ein Investmentbanker versorgte ihn mit Insiderinformationen über anstehende Übernahmen, die der Ex-Börsenhändler für Wertpapiergeschäfte (Aktien, Call Optionen und Derivate) nutzte, um von steigenden Kursen nach Bekanntwerden der Übernahmeabsicht zu profitieren und die Papiere mit Gewinn zu verkaufen. Das LG Frankfurt verurteilte den Ex-Börsenhändler in sechs Fällen wegen Insidergeschäften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von knapp vier Jahren und ordnete die Einziehung des Wertes von Taterträgen an, gut 7.000.000 Euro. Den Wert der einzuziehenden Taterträge setzte es mit der Summe der "tatsächlichen Kontogutschriften" aus den Verkäufen an; umfasst waren die Verkaufserlöse abzüglich von den Banken einbehaltener Gebühren und Kapitalertragsteuern.

Die Staatsanwaltschaft sah den Wert der Taterträge fehlerhaft ermittelt und legte Revision ein. Das sah auch der BGH so und hob die Einziehungsentscheidung und den Strafausspruch auf (Urteil vom 06.12.2023 - 2 StR 471/22). Durch die Tat – die Insidergeschäfte – erlangt (§ 73 Abs. 1 StGB) habe der Ex-Börsenhändler die gekauften Wertpapiere. Zwar sei früher nur der erwirtschaftete Sondervorteil als das Erlangte betrachtet worden, das könne nach der Reform des Einziehungsrechts aber keine Geltung mehr haben: Der Gesetzgeber habe ausdrücklich geregelt, dass das Erlangte im Sinn des § 73 Abs. 1 StGB rein gegenständlich zu bestimmen sei und etwaige Aufwendungen nur nach § 73d Abs. 1 StGB berücksichtigt werden könnten. Das gelte gerade auch für Aktienkäufe durch verbotene Insidergeschäfte. Der Gesetzgeber habe bewusst von der früheren BGH-Rechtsprechung abrücken wollen. Dem würde es zuwiderlaufen, nur auf den Sondervorteil abzustellen.

Reinvestition der Erträge ohne Belang

Der nach dem Verkauf der Wertpapiere gemäß § 73c S. 1 StGB einzuziehende Wert entspreche dem Verkehrswert - beim Insiderhandel dem Bruttoveräußerungserlös. Entgegen dem LG verringerten weder Transaktionskosten noch die Kapitalertragsteuer den Verkehrswert. Etwaige Doppelbelastungen sollen nach dem gesetzgeberischen Willen auf steuerrechtlicher Ebene vermieden werden. Auch seien in einem zweiten Prüfungsschritt vom Wert des Erlangten keine Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abzuziehen, da es sich entweder nicht um Aufwendungen für das Erlangen des Tatertrages handle (Kapitalertragsteuer, Gebühren bei Verkauf) oder das Verbot des Abzugs von Aufwendungen für die Tatbegehung in S. 2 greife (investiertes Kapital, Gebühren bei Erwerb). Ohne Belang ist laut BGH auch, dass der Ex-Börsenhändler erzielte Taterträge in weitere Insidergeschäfte reinvestiert habe. Denn die Einziehung erfolge tatbezogen. Die Reform habe gerade bezweckt, "die Reinvestition von Verbrechensgewinnen in kriminelle Unternehmungen zu verhindern".

Gegen die Einziehung der so ermittelten Beträge könne auch nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingewandt werden. Unzumutbare Härten könnten seit der Reform nur im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden, nicht im Erkenntnisverfahren. § 459g StPO beinhalte insoweit auch ein "wirkungsvolles Korrektiv". Ob eine unzumutbare Härte vorliege, sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung am Maßstab des Übermaßverbots zu prüfen. Eine solche könne auch im Fall einer Entreicherung in Betracht kommen, allerdings nur in besonderen Ausnahmenfällen, so bei einem "schicksalhaften Verlust" (etwa durch Krankheit) des Erlangten. Das LG muss nun neu verhandeln und entscheiden, auch über den Strafausspruch, da es als strafschärfend die "jeweils erlangten Verkaufserlöse bzw. Erlösgutschriften" berücksichtigt hatte. 

BGH, Urteil vom 06.12.2023 - 2 StR 471/22

Redaktion beck-aktuell, hs, 26. Februar 2024.

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