Inlandstat trotz Begehung im Ausland
Lorem Ipsum
Robert Kneschke / stock.adobe.com

Werden im Rahmen eines einheitlichen Lebenssachverhalts Straftaten teils in Deutschland, teils im Ausland begangen, handelt es sich regelmäßig bei allen Delikten um Inlandstaten. Der Bundesgerichtshof lehnte es ab, einen einheitlichen Lebensvorgang zu trennen und eine gefährliche Körperverletzung in den Niederlanden im Zuge einer Entführung nach Deutschland nicht nach deutschem Recht zu bestrafen. Eine tatbestandsbezogene Auslegung sei gerade im Hinblick auf das europarechtlich verankerte Verbot der Doppelbestrafung nicht geboten. 

In Deutschland Geiselnahme in Niederlanden geplant

Drei Männer verabredeten, in den Niederlanden einen Mann zu überfallen, ihn nach Deutschland zu verbringen und dort weitere Vermögenswerte von ihm zu erpressen. Sie spiegelten dem späteren Geschädigten vor, ihm ein Auto verkaufen zu wollen, um ihn dann aus dem Hinterhalt zu überfallen. Unter Gewaltanwendung wurde der verletzte Niederländer nach Deutschland verbracht; er übergab den Tätern unter diesem Eindruck sein Bargeld in Höhe von 25.000 Euro sowie seine Bankkarte. Er musste 2.000 Euro von der Bank abheben und seine Ex-Frau anrufen, auf dass sie einem Abholer zwei Uhren aushändigte. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte die Täter zu Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Alle Angeklagten erhoben Revision zum Bundesgerichtshof – vergeblich.

Inlandstat oder Auslandstat?

Obwohl die Tat überwiegend in den Niederlanden stattgefunden hatte, hat der BGH darin eine Inlandstat nach den §§ 3, 9 StGB gesehen. Der Begriff der "Tat" sei nicht rein tatbestandsbezogen auszulegen, sondern umfasse alle im Rahmen desselben Lebensvorgangs verwirklichten Delikte. Die drei Männer hätten die Tat zum einen bereits in Deutschland verabredet und den Geschädigten auch ins Inland verbracht und hier die räuberische Erpressung begangen. Eine isolierte Betrachtung der in den Niederlanden begangenen gefährlichen Körperverletzung, die dann in Deutschland nicht bestraft werden könnte, hält der 3. Strafsenat für nicht geboten. Vielmehr stelle sich auch diese Tat als mit den anderen verwirklichten Delikten als einheitlicher Lebensvorgang dar, auf die das deutsche Strafrecht anzuwenden sei. Dafür spreche auch das europarechtlich verankerte Verbot der Doppelbestrafung nach § 54 SDÜ und Art. 50 GRCh: Die Geltung eines materiellen Tatbegriffs könnte zu einem willkürlichen Auseinanderreißen eines einheitlichen Lebenssachverhalts führen und eine spätere Ahndung einzelner Taten im Ausland ausschließen, da es nach dem europarechtlichen Tatbegriff auf das Vorliegen eines "Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen" ankomme.

Verlesung von Aussagen der niederländischen Zeugen

Der BGH billigte die Handhabung des Düsseldorfer LG, nach einem Abbruch der Vernehmung einer niederländischen Zeugin auf die weitere Vernehmung von Zeugen aus dem Nachbarland zu verzichten und stattdessen deren polizeiliche Vernehmungsprotokolle nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu verlesen. Da die Zeugen angekündigt hätten, nicht beziehungsweise nicht noch einmal anzureisen, seien sie unerreichbar nach § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO gewesen. Eine audiovisuelle Vernehmung nach § 247a Abs. 1 StPO oder kommissarische Vernehmung nach § 233 StPO würde nicht zur Entscheidungsfindung beitragen. Da die Verteidigung die Zeugen nicht gemäß Art. 6 Abs. 3 d EMRK habe konfrontativ befragen können, habe das LG diese Zeugenaussagen im Rahmen der Beweiswürdigung besonders sorgfältig und kritisch berücksichtigt. 

BGH, Urteil vom 24.11.2022 - 3 StR 64/22

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2023.