Streit um den Zustand des Betons
Eine Bauunternehmerin und eine von ihr beauftragte Nachunternehmerin stritten sich im Zusammenhang mit dem Ausbau einer Straßenbahnlinie um die Qualität von Betonarbeiten. 2004 hatten beide ein Verhandlungsprotokoll unterzeichnet, durch das die VOB/B (2002) in den Vertrag einbezogen wurden. Die Auftragssumme belief sich auf rund drei Millionen Euro. In dem Leistungsverzeichnis, das von der Bauherrin stammte und der Subunternehmerin vorlag, hieß es in Bezug auf den Straßenbord zum Beispiel: "Rückenstütze aus Beton B 25 nach Zeichnung herstellen". Im August 2006 monierte die Hauptunternehmerin die Qualität des verbauten Betons und forderte die Firma mehrfach vergeblich auf, die Mängel zu beseitigen. Die behaupteten Mängel hätten während der laufenden Arbeiten in zwei oder drei Tagen mit einem Aufwand von etwa 6.000 Euro beseitigt werden können. Die Hauptunternehmerin kündigte den Bauvertrag nach Fristablauf nach § 8 Nr. 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 7 VOB/B a.F. (Entziehung des Auftrags aus wichtigem Grund).
OLG: Entziehung des Auftrags aus wichtigem Grund
Während das Landgericht Halle feststellte, dass die Kündigung der Beklagten eine freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) gewesen sei, ging das Oberlandesgericht Naumburg davon aus, dass die Beklagte den Bauvertrag wegen der Mängel nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) wirksam habe entziehen können. Es sei nicht zu erkennen, dass die VOB/B in Bezug auf den Vertrag substanziell abgeändert worden sei. Damit bestünden gegen die Wirksamkeit von § 8 Nr. 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) keine Bedenken. Die Revision der Klägerin beim BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung.
Geringfügige Abweichung reicht
Dem VII. Zivilsenat zufolge kann mit der vom OLG gegebenen Begründung keine wirksame Kündigung des Vertrags durch die Beklagte nach § 4 Nr. 7 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) angenommen werden. Das OLG habe zu Unrecht entschieden, dass keine Inhaltskontrolle der Allgemeinen Vertragsbedingungen stattzufinden habe. Insoweit sei entscheidungserheblicher Vortrag der Klägerin unberücksichtigt geblieben, obwohl er für die Beurteilung, ob die VOB/B (2002) als Ganzes zwischen den Parteien vereinbart worden seien, erheblich gewesen wäre, kritisierte der BGH. So habe die Klägerin vorgetragen, dass in den ursprünglich zwischen der Hauptauftraggeberin und der Beklagten vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen mehrere Regelungen von denen der VOB/B (2002) abwichen. Für die Revision sei daher davon auszugehen, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart waren. Für den Einstieg in eine Inhaltskontrolle genügten dabei schon geringfügige Abweichungen von der VOB/B.
Unangemessene Kündigungsregelung
Die Auftraggeberin hätte insoweit ihre Kündigung nicht auf § 4 Nr. 7 in Verbindung mit § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) stützen können. Die Regelung sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund nicht zu vereinbaren. Die Klauseln benachteiligten den Auftragnehmer daher unangemessen. Denn der Auftraggeber könne – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – selbst bei Geringfügigkeit der Vertragswidrigkeiten oder Mängel während der Ausführungsphase eine Kündigung aussprechen. Die Klauseln seien daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.