Inflationsausgleichsprämie ist pfändbares Arbeitseinkommen

Eine vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie stellt Arbeitseinkommen dar und kann in den Grenzen des § 850c ZPO gepfändet werden. Laut BGH steht der Pfändbarkeit der Prämie insbesondere keine Zweckbindung entgegen. Die bloße Zweckbestimmung, die Inflation abzumildern, genüge nicht.

Ein Krankenpfleger, der in einer Caritas-Einrichtung arbeitet, befindet sich in einem Insolvenzverfahren. Er beantragte die Freigabe der Inflationsausgleichsprämie, die ihm sein Arbeitgeber zahlt. Nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) erhält er zur Abmilderung der Inflation 3.000 Euro im Sinn des § 3 Nr. 11c EstG, auszuzahlen in zwei Teilbeträgen à 1.500 Euro im Juni 2023 und 2024. Maßgeblich für den begehrten Pfändungsschutz sind nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO die ZPO-Pfändungsschutzvorschriften. Das InsG lehnte den Antrag ab.

Nach erfolgloser sofortiger Beschwerde blieb auch die Rechtsbeschwerde des Krankenpflegers beim BGH ohne Erfolg. Laut BGH ist die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie als Arbeitseinkommen in den Grenzen des § 850c ZPO pfändbar (Beschluss vom 25.04.2024 - IX ZB 55/23). Arbeitseinkommen im Sinn des § 850 Abs. 1 ZPO liege vor, weil der Arbeitgeber die Prämie freiwillig zusätzlich zum Arbeitslohn zahle. Die Prämie sei keine staatliche Unterstützungsleistung, sondern lediglich steuer- und sozialabgabenfrei.

Der Pfändungsschutz für die Prämie bestimme sich nach den §§ 850a bis 850h ZPO, nicht nach § 850i ZPO (nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste). Denn sie sei als zusätzliche Zahlung zum regelmäßigen Arbeitslohn Teil von diesem, auch wenn sie nur einmalig gezahlt werde. Die Prämie erhöhe den zu zahlenden Lohn, ohne die zu erbringende Arbeitsleistung zu verändern. Sie vergüte weder eine Zusatz- oder Mehrarbeit noch eine besondere einmalige Leistung.

Prämie weder Erschwerniszulage, Aufwandsentschädigung, noch zweckgebunden

Als nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulage sei die Inflationsausgleichsprämie nicht einzustufen. Sie solle die Inflation abfedern, aber nicht besondere Belastungen des Jobs kompensieren. Wegen des Zwecks der Prämie stelle sie auch keine nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Aufwandsentschädigung dar, da sie nicht dem Ausgleich tatsächlicher Aufwendungen aufgrund der Arbeit diene.

Laut BGH stellt die Inflationsausgleichsprämie auch keine nach § 851 ZPO i. V. m. § 399 Alt. 1 BGB unpfändbare Forderung dar. Nach § 399 Alt. 1 BGB könne eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Regelung "erfasst Forderungen, die aufgrund ihres Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses herbeiführen, dass ein Wechsel in der Gläubigerperson als unzumutbar anzusehen ist beziehungsweise die Identität der Forderung nicht gewahrt bleibt. Hierzu gehören zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt."

Bei der Inflationsausgleichsprämie fehle es aber an der Zweckgebundenheit. Die AVR formulierten zwar mit der "Abmilderung des schnellen Anstiegs der Verbraucherpreise" einen Zweck der Prämie. Sie enthielten aber keine Zweckbindung – im Unterschied zu den staatlichen Corona-Hilfen. Der Arbeitnehmer könne sie nach Belieben verwenden. Gegen eine Zweckbindung der Inflationsausgleichsprämie führt der BGH auch an, dass die Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen jährlich angepasst wird "und die durch die Inflation gestiegenen Lebenshaltungskosten bereits bei der Bemessung der neuen Pfändungsfreigrenze berücksichtigt werden".

BGH, Beschluss vom 25.04.2024 - IX ZB 55/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 23. Mai 2024.