Unvermeidbarer Verbotsirrtum: Auf viele Stunden Anwaltsrecherche darf man vertrauen

Nachdem ein windiges Finanzierungsmodell die Behörden auf den Plan gerufen hatte, sollte ein Fachanwalt die Geschäfte eines Unternehmers bereinigen. Auf dessen Arbeit durfte der Unternehmer sich laut BGH verlassen, obwohl er die neuen Klauseln nie selbst geprüft hatte.

Seit 2012 hatte ein Kapitalgeber 50.000 Euro in Darlehen an einen Finanzunternehmer ausgezahlt, der ihn reicher machen sollte. Das Geschäftsmodell: Der Unternehmer würde die Summe in Immobilien investieren und die Kredite aus den erzielten Gewinnen zurückzahlen. Schon ein Jahr später zog das die Aufmerksamkeit der Finanzaufsicht auf sich. Man ermittelte wegen unerlaubter Einlagengeschäfte, ein Verstoß gegen das Kreditwesengesetz (KWG). 

Der Unternehmer beauftragte daraufhin einen Fachanwalt mit der Neustrukturierung seiner Verträge. In über 20 Stunden bezahlter Recherche arbeitete er neue Klauseln aus, die eine Erlaubnispflicht nach dem KWG umgehen sollten. Auf dieser Grundlage wurden auch die Verträge mit dem betreffenden Kapitalgeber neu aufgesetzt. Wegen der anfänglichen rechtswidrigen Geschäfte erging trotzdem ein Strafbefehl, später folgte die Insolvenz der GmbH.

Der Kapitalgeber verklagte das Unternehmen im Nachgang auf Schadensersatz. Die neuen Verträge enthielten allerdings eine Nachrangklausel – eine Regelung, laut der der Kapitalgeber erst befriedigt werden müsste, wenn alle anderen Insolvenzgläubigerinnen und -gläubiger ausbezahlt sind. Das LG Aachen und das OLG Köln gaben der Schadensersatzklage statt, da auch die neuen Verträge rechtswidrig seien. Im Zentrum des Verfahrens stand dabei ein deliktischer Anspruch aus § 823 BGB, der ein Verschulden voraussetzt. Hier hätte sich der Unternehmer nämlich genauer nach der Legalität der neuen Klauseln erkundigen müssen, fanden die Instanzgerichte. Der BGH hat nun allerdings eine Wendung in den Fall gebracht. Er hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verneinte den Schadensersatzanspruch. Der Unternehmer habe darauf vertrauen dürfen, dass die neuen Verträge legal seien. Ihn treffe wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums keine Schuld (Urteil vom 20.03.2025 – III ZR 261/23). 

Kein Verschulden dank teurem Anwalt

Der III. Zivilsenat meinte, dass es in diesem Fall von vornherein nicht auf die Wirksamkeit der Nachrangklauseln angekommen sei. Selbst wenn diese unwirksam gewesen wären, sei der Unternehmer einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen, denn er hätte die neuen Verträge für rechtlich zulässig halten dürfen. Die zentrale Frage war, ob der Unternehmer genug getan hatte, um sich nach der Legalität der neuen, von seinem Anwalt ausgearbeiteten Geschäfte zu erkundigen. Das sei – so der BGH – nicht allgemein feststellbar, sondern stets eine Frage des Einzelfalls. 

Der Senat fand darauf nun folgende Antwort: Indem er seinen Anwalt mit der Neugestaltung der Verträge beauftragt hatte, habe der Unternehmer genug getan, um sich der Erlaubnisfreiheit seiner Geschäfte zu vergewissern. Er habe davon ausgehen dürfen, dass sein Anwalt die Klauseln mit der nötigen Gründlichkeit und unter Beachtung der Rechtslage ausgearbeitet habe. Zur Begründung zog der Senat den hohen Rechercheaufwand des Anwalts heran: Allein für Vorrecherchen hatte dieser 22 Stunden abgerechnet. Es sei gerade seine Aufgabe gewesen, eine KWG-Erlaubnispflicht auszuschließen. Außerdem sei der Anwalt in die Ermittlungen gegen den Unternehmer zuvor einbezogen worden.

Staatsanwaltschaft gab zusätzliche Gewissheit

Auch durch das Verhalten der zuständigen Staatsanwältin habe sich der Unternehmer bestätigt sehen dürfen. Diese habe die Ermittlungen nach Kenntnis von den neuen Verträgen nicht auf diese erweitert, sondern die Verträge selbst als erlaubnisfrei angesehen. Aus seiner Sicht habe sich die Staatsanwaltschaft als objektive Behörde mit der Sache befasst und gegen die neue Konzeption nichts einzuwenden gehabt.

Die Prüfung durch die Staatsanwaltschaft sei auch der Hauptgrund dafür gewesen, dass der Unternehmer sich nicht zusätzlich bei der BaFin habe erkundigen müssen. Das hätte ihm zwar zusätzliche Sicherheit gegeben, sei aber nicht das einzige Mittel der Wahl, so der BGH. Notwendig sei es nach der Absicherung durch Anwalt und Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht gewesen.

BGH, Urteil vom 20.03.2025 - III ZR 261/23

Redaktion beck-aktuell, tbh, 23. April 2025.

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