Ein Rechtsanwalt war seit 2010 Inhaber der Domains "energycollect.de" und "energy-collect.de". Beide Adressen waren bei der Denic eG registriert. Eine gleichnamige Internetseite steuerten sie nicht an, sondern leiteten Nutzerinnen und Nutzer automatisch auf die Website eines Drittunternehmens, das als Inkasso-Dienstleister für die Energieversorgungsbranche tätig war. Zehn Jahre später wurde eine weitere Firma namens "energy Collect GmbH & Co.KG" ebenfalls als Inkasso-Dienstleisterin in demselben Geschäftsfeld tätig. Sie verlangte von dem Rechtsanwalt seine Einwilligung zur Löschung seiner Domains. Weder vor dem Landgericht Mannheim noch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe konnte der Rechtsanwalt durchdringen – erst die Revision vor dem BGH war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung.
Der I. Zivilsenat bejahte dabei zwar das Vorliegen fast aller Voraussetzungen des § 12 Satz 1 Fall 2 BGB: Das Namensrecht gebühre der "energy Collect GmbH & Co.KG", der Name werde durch den Rechtsanwalt auch unbefugt gebraucht und durch die Weiterleitung auf ein Drittunternehmen werde eine Zuordnungsverwirrung bei den Nutzerinnen und Nutzern ausgelöst. Ein eigenes – älteres – Namensrecht sei durch die Registrierung der Domain nicht entstanden. Allerdings, so der BGH, sehe er durch die Aufrechterhaltung der Registrierung der angegriffenen Domains keine Verletzung schutzwürdiger Interessen der Namensinhaberin.
Schutzwürdiges Interesse an Weiterleitungsdomain
Entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe halten die Bundesrichterinnen und -richter auch die rein technische Verwendung zur Weiterleitung zur Erzielung eines höheren Besucheraufkommens auf der verwiesenen Internetseite für schutzwürdig. Schon allein die Registrierung der Domain begründe eine eigentumsfähige Position nach Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 17 GRCh und Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. Bei dieser Sachlage hat ein Dritter, der den Domainnamen erst nach der Registrierung als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, laut BGH regelmäßig keinerlei schutzwürdiges Interesse. Schließlich könne er vor der Wahl seines Unternehmensnamens recherchieren, ob der Domainname noch verfügbar ist, und gegebenenfalls einen anderen Namen wählen.
Das Prioritätsprinzip, das auch im Markenrecht ein beherrschender allgemeiner Rechtsgrundsatz ist, lässt sich dem I. Zivilsenat zufolge nur durchbrechen, wenn der Berechtigte die Domain rechtsmissbräuchlich nutzt. Das sei hier nicht der Fall, weil auch die durch die bloße Weiterleitung verbesserte Trefferquote und Rankings der Zielseite in Suchmaschinen ein legitimes wirtschaftliches Interesse begründe. In die Abwägung der beiderseitigen Interessen seien nicht nur namens- und markenrechtliche, sondern alle Interessen einzustellen. Ob ein solches – vom Anwalt behauptetes – wirtschaftliches Interesse bestehe, müsse das OLG prüfen.