Hoheitliche Tätigkeit hindert Syndikuszulassung
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Die restriktive Linie des Anwaltssenats bei Syndikuszulassungen setzt sich fort. Mit Urteil vom 22.06.2020 stellte er am Bundesgerichtshof klar, dass jede Art hoheitlicher Tätigkeit ein Zulassungshindernis bildet. Der Umfang, in dem solche Aufgaben ausgeübt würden, sei dabei nicht entscheidend.

Vorsitz im Schlichtungsausschuss

Die Geschäftsführerin eines Verbandes wollte als Syndikusanwältin zugelassen werden. Sie hielt im Rahmen ihrer Beschäftigung unter anderem Seminare ab, beriet im Auftrag der Arbeitgeberin die Dachdeckerinnung und übernahm den Vorsitz in Schlichtungsverfahren zwischen Lehrlingen und Ausbildern nach §§ 111 Abs. 2  Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 67 Abs. 3 HwO. Die RAK Köln erfüllte ihr den Wunsch. Der Bescheid der Kammer wurde jedoch von der DRV angegriffen. Vor dem AGH Hamm hatte dieser noch Bestand: Das Gericht berechnete einen anwaltlichen Arbeitsumfang für den Arbeitgeber von 54% und sah dies als ausreichend an.

Unvereinbarkeit mit anwaltlicher Tätigkeit

Der Bundesgerichtshof sah jedoch aus mehreren Gründen keine Basis für eine Syndikuszulassung und hob den Bescheid auf. Nach seiner Einschätzung führte bereits die Mitwirkung an den Schlichtungsverfahren gemäß § 7 Abs. 8 BRAO zum Ausschluss einer Syndikuszulassung. Nach dieser Norm muss der Anwalt frei von Bindungen sein, die seine Unabhängigkeit gefährden könnten. Unvereinbar mit einer Anwaltszulassung sei insbesondere die Beteiligung am Erlass von Hoheitsakten. Den Einwand der Rechtsanwaltskammer, hier liege keine hoheitliche Tätigkeit vor, ließen die Karlsruher Richter nicht gelten und verdeutlichten dies am Vergleich mit den Anhörungsausschüssen im Verwaltungsverfahren in Hessen. In beiden Verfahrensarten könnten die Parteien einen Vergleich schließen, seien dazu aber nicht verpflichtet. Das Anhörungsverfahren sei auch für den Zugang zum Verwaltungsgericht nicht notwendig - ohne Schlichtungsverfahren aber die Klage vor dem Arbeitsgericht unzulässig. Aus Sicht des BGH kam es nicht entscheidend darauf an, ob der Anteil solcher Tätigkeiten bedeutend war oder nicht, relevant war vielmehr die "tatsächlich bestehende Entscheidungsbefugnis". Diese habe die Geschäftsführerin jedenfalls in ihrer Rolle als Vorsitzende gehabt.

Prägende Anwaltstätigkeit erst ab 65% Anteil

Der Umfang ihrer anwaltlichen Arbeit sei - nach heutiger Rechtsprechung -  im Übrigen falsch berechnet und zudem unzureichend. Die Bundesrichter verwiesen darauf, dass die Anwaltstätigkeit erst ab einer Schwelle von 65% für das Arbeitsverhältnis prägend wird. Ferner habe der Anwaltsgerichtshof zu Unrecht Geschäftsführung und Seminare als anwaltliche Tätigkeit berücksichtigt. Die Beratung der Dachdeckerinnung erfolge nicht für den Arbeitgeber und bleibe unberücksichtigt.

Kritik an der Rechtsprechung

Die Linie des Bundesgerichtshofs ist in Anwaltskreisen auf Widerspruch gestoßen, da sie als zu restriktiv empfunden wird. Bereits vor Erlass dieser Entscheidung hatte sich der Geschäftsführer der hier betroffenen RAK Köln, Martin W. Huff, kritisch in Heft 3/2020 der BRAK-Mitteilungen zum Verständnis des Anwaltssenats geäußert. Er konstatierte, dass der BGH "für Rechtsunsicherheit für Syndikusanwälte" sorge, und gab seiner Hoffnung auf eine erneute Auseinandersetzung der Richter mit "Sinn und Zweck" der Regeln zur Syndikuszulassung Ausdruck. Nach der jetzigen Entscheidung spricht aber einiges dafür, dass die Rechtsanwaltskammern künftig vor Zulassung eine mögliche hoheitliche Tätigkeit vertieft werden prüfen müssen. Die Frage der anwaltlichen Arbeit für Geschäftspartner des Arbeitgebers ist mittlerweile Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 695/20, zur Entscheidung BGH, NJW-RR 2020, 443) geworden.

Redaktion beck-aktuell, 23. Juli 2020.