HOAI-Mindestsätze in Zivilprozessen weiter anwendbar
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Bei Streitigkeiten zwischen Privatpersonen dürfen Gerichte die Regelung über die Mindesthonorare von Architekten und Ingenieure weiter anwenden – trotz festgestellten Verstoßes gegen Europarecht. Dieses steht dem Bundesgerichtshof zufolge einem entsprechenden Vergütungsanspruch im Verhältnis von Privatpersonen nicht entgegen.

Restlicher Werklohn

Ein Ingenieurbüro verlangte von einer Immobilien-Projektentwicklerin restlichen Werklohn in Höhe von rund 67.500 Euro, der zusammen mit bereits geleisteten Zahlungen die vereinbarte Pauschalsumme überstieg. 2008 hatten die beiden einen Pauschalhonorarvertrag geschlossen. Die erbrachten Leistungen der ersten vier Bauphasen rechnete die Klägerin im Mai 2009 auf Basis des Pauschalhonorars ab. Die Beklagte beglich die Summe. Für die Leistungsphase 5 war ein Pauschalbetrag von 71.000 Euro vereinbart; die Klägerin stellte im August und im November 2009 (bei einem Bearbeitungsstand von 94%) Abschlagsrechnungen von über 38.870 Euro und 40.600 Euro in Rechnung. Auch damit war das Unternehmen noch einverstanden – und zahlte. 2016 übersandte die Klägerin zur Leistungsphase 5 eine Schlussrechnung von über 146.900 Euro nach den HOAI-Mindestsätzen (1996/2002). Die Zahlung dieses Restbetrags verweigerte die Firma.

OLG: Pauschalhonorar wegen Unterschreitung der Mindestsätze unwirksam

Die Klage scheiterte beim Landgericht Düsseldorf, nicht aber beim dortigen Oberlandesgericht. Einer Abrechnung nach Mindestsätzen stehe die Vereinbarung über ein Pauschalhonorar nicht entgegen, da diese Vereinbarung wegen Unterschreitung der geltenden Mindestsätze unwirksam sei. Die vom Büro zutreffend berechnete Forderung in Höhe von insgesamt 146.900 Euro stelle den Mindestsatz nach §§ 62 ff. HOAI dar. Dagegen legte die Beklagte die Revision beim BGH ein – ohne Erfolg. 

Europarecht steht Regelung nicht entgegen

Dem VII. Zivilsenat zufolge hat das OLG zu Recht entschieden, dass die Pauschalhonorarvereinbarung der Parteien unwirksam ist. Der Klägerin stehe deshalb ein Anspruch auf Zahlung weiterer 67.500 Euro aus § 4 HOAI in Verbindung mit § 631 BGB zu. Anhaltspunkte für einen zur Unterschreitung der Mindestsätze berechtigenden Ausnahmefall im Sinne von § 4 Abs. 2 HOAI lägen nicht schon darin, dass die Klägerin zu einem gewissen Umfang Leistungen eines Subplaners in Anspruch genommen und mit diesem nach der Behauptung der Beklagten ein Pauschalhonorar vereinbart habe. Europarecht steht dem BGH zufolge der Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 HOAI nicht entgegen. Weder aus der Dienstleistungsrichtlinie noch aus dem europäischen Primärrecht ergebe sich eine Verpflichtung, das verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI unangewendet zu lassen. Eine Unterschreitung der Sätze durch richtlinienkonforme Auslegung sei unmöglich: Der deutsche Gesetzgeber habe in den Regelungen zur Geltung der Mindestsätze eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine unterhalb der verbindlichen Mindestsätze liegende Honorarvereinbarung für Architekten- und Ingenieurleistungen – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – unwirksam sei und sich die Höhe des Honorars in diesem Fall nach den Mindestsätzen bestimme.

BGH, Urteil vom 03.11.2022 - VII ZR 724/21

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2022.