Herbe Rüge für Anwaltsschriftsatz
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© Fabian Sommer / dpa

Mit drastischen Worten hat der Bundesgerichtshof deutlich gemacht: Die Begründung einer Berufung in einem Zivilprozess muss zwar weder in sich schlüssig noch rechtlich haltbar sein – aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten. Die Rechtsmittel eines Anwalts verwarf er als unzulässig, weil dessen Schriftsatz "größtenteils bereits sprachlich unverständlich und inhaltlich schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar" sei.

Unzulässigkeit wegen sprachlicher Mängel

Der Anwalt vertrat ein Ehepaar, das seine Doppelhaushälfte verkauft hatte und dem Notar vorwarf, er habe zu Unrecht einem Gläubiger Geld ausgezahlt. Das LG Kiel wies die Klage ab, weil es keine Amtspflicht verletzt sah. Die Berufung zum OLG Schleswig scheiterte dann jedoch bereits an der Zulässigkeit. Sie sei nicht in der zulässigen Form begründet worden, heißt es in dem Beschluss (BeckRS 2019, 33002). "Soweit die in der Berufungsbegründung angeführten Argumente überhaupt sprachlich und inhaltlich zu verstehen sind, enthalten sie keine Angriffe gegen die Entscheidungsgründe."

Masse hilft nicht gegen fehlende Inhalte

Ihre ganze Ratlosigkeit verdeutlichen die Oberrichter aus Schleswig mit dem Satz: "Die übrigen (...) Argumente sind nicht zu verstehen, und zwar teils schon aus sprachlichen Gründen, teils ihrem Inhalt nach. Weil diese Argumente nicht zu verstehen sind, lässt sich ihr Sinn auch nicht zusammenfassend wiedergeben. Deshalb soll die wörtliche Wiedergabe einiger Auszüge genügen." Und stellen klar: "Auch der große Umfang der Berufungsbegründung kann ihren unzureichenden Inhalt nicht ersetzen."

"Zusammenhanglose Verweise ins Leere"

Der BGH hat sich dem nun angeschlossen (BeckRS 2020, 19830). Ausführlich zitiert er zunächst diverse Unzulänglichkeiten, die das OLG dem Prozessbevollmächtigten vorgehalten hat. So etwa: Der erste Abschnitt der Berufungsbegründung bestehe "aus einer knapp eineinhalb Seiten langen Aneinanderreihung von Wörtern ohne einen einzigen Punkt und ohne ein – inhaltlich Sinn stiftendes – Prädikat". Weitere Abschnitte "bestünden überwiegend aus zusammenhanglosen und teilweise ins Leere gehenden Verweisen auf Blattzahlen, Aktenzeichen, Gerichtsentscheidungen und Rechtsvorschriften, umfänglichen Wiedergaben von landgerichtlichen Urteilsausführungen und vorinstanzlichen, ihrerseits nur eingeschränkt verständlichen klägerischen Schriftsätzen sowie nicht näher konkretisierten Beanstandungen". Sie enthielten keinen erkennbaren Gedankengang, der auf seine Richtigkeit hin überprüft werden könnte. Selbst auf richterlichen Hinweis erfolgte Darlegungen bestätigten eher den Eindruck, der Kläger sei entweder nicht bereit oder nicht willens, sich sachlich mit dem angefochtenen Urteil des LG auseinanderzusetzen.

"Überobligationsmäßig akribische Lektüre"

Das eigene Verdikt der Karlsruher Richter steht diesem Verriss in nichts nach. Die 24-seitige Begründung enthalte "sprachlich kaum zu verstehende, mit Tatsachenvortrag überfrachtete, inhaltlich wirre Hilfsanträge". Größtenteils sei sie bereits sprachlich unverständlich und inhaltlich schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar. "Zwar mögen dem Schriftsatz bei einer überobligationsmäßig akribischen Lektüre und besonders wohlwollender Betrachtung Bruchstücke zu entnehmen sein, die, wie die Rechtsbeschwerde meint, ,durchaus rechtlich bedenkenswerte Aspekte‘ aufwerfen können." Jedoch: "Das jeweilige Vorbringen, soweit es überhaupt zu verstehen ist, lässt jedoch nicht erkennen, aus welchen Umständen sich die behaupteten Rechtsverletzungen durch das Landgericht ergeben sollen."  Es genügte nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, "dass sich aus dem insgesamt sprachlich und inhaltlich nicht verständlichen, umfangreichen anwaltlichen Schriftsatz mit Mühe einzelne Elemente herauslesen lassen, die als rechtlich bedenkenswert betrachtet werden könnten".

BGH, Beschluss vom 30.07.2020 - III ZB 48/19

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 21. August 2020.