Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid

Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt die Verjährung nur, wenn der Schuldner aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs erkennen kann, woraus der Gläubiger diesen herleitet. Andernfalls kann eine unzureichende Individualisierung laut Bundesgerichtshof auch außerhalb des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden. Die Verjährung des Anspruchs sei dann ab diesem Zeitpunkt gehemmt.

Forderung nicht individualisiert

Ein Bauunternehmen verlangte von der Bundesrepublik Deutschland restlichen Werklohn für Renovierungsarbeiten an einer Kindertagesstätte in Höhe von rund 677.000 Euro. Der Bund hatte das Unternehmen im Sommer 2010 mit den Arbeiten beauftragt. Das Auftragsschreiben enthielt den Hinweis, auf der Rechnung sei die Auftragsnummer anzugeben. Nach Beendigung der Arbeiten Anfang 2013 erstellte die Firma im Herbst 2013 ihre Schlussrechnung. Die Beklagte kürzte die Rechnungssumme. Damit war die Klägerin nicht einverstanden und beantragte Ende Dezember 2016 den Erlass eines Mahnbescheids. Die Hauptforderung hatte sie mit "Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gemäß Restforderung aus Schlussrechnung" bezeichnet und ihre Rechnungsnummer angegeben. Das Bauamt teilte ihr nach Eingang des Mahnbescheids mit, dass die Forderung ohne Nennung der Baumaßnahme nicht zugeordnet werden könne. Nach Mitteilung der Auftragsnummer per Mail am 17.01.2017 legte der Bund Widerspruch ein und berief sich auf die Verjährung der Forderung.

Klage gegen die Bundesrepublik

Zurecht, befand das LG Mainz und wies die Klage des Unternehmens ab. Das OLG Koblenz teilte der Firma mit, dass es eine Verwerfung der Berufung beabsichtige, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Nunmehr traten die früheren Anwälte der Auftragnehmerin dem Rechtsstreit bei. Einer von ihnen trug vor, er habe am 29.12.2016 die Referentin des Bauamts per E-Mail über den beantragten Mahnbescheid informiert. Die Baufirma teilte mit, erst durch diesen Schriftsatz von der Mail erfahren zu haben. Das OLG Koblenz verwarf ihre Berufung, da die Zustellung des Mahnbescheids am 14.01.2017 die Verjährung nicht gehemmt habe: Die Firma hätte bereits im Mahnantrag den Anspruch so individualisieren müssen, dass die konkrete Forderung daraus unmittelbar hätte erkennbar sein müssen. Das Problem lasse sich auch nicht mit der E-Mail des Anwalts beheben. Die Revision hatte Erfolg. Zuvor war in dieser Sache bereits einmal eine Zurückverweisung erfolgt (BGH NJW 2020, 3653).

Nachholung auch außerhalb des Gerichtsverfahrens

Die Karlsruher Richter verwiesen die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Dem VII. Zivilsenat zufolge hat das Berufungsgericht verkannt, dass eine unzureichende Individualisierung des Anspruchs auch außerhalb des Gerichtsverfahrens nachgebessert werden kann und die Verjährung hemmt. Die Angaben im Mahnbescheid hätten den Erfordernissen der Rechtsprechung des BGH zur Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprochen. Danach habe die Unternehmerin mit E-Mail vom 17.01.2017 an die Beklagte ergänzende Angaben gemacht und damit den Anspruch nachträglich individualisiert. Zu diesem Zeitpunkt war dieser den BGH-Richtern zufolge nicht verjährt, da die Verjährung des Anspruchs zumindest im Zeitraum vom 29.04.2014 (dem Tag der Zusendung der mehrfach angeforderten Massenermittlungen) bis zum 27.05.2014 (dem Tag der Fertigung der Widerspruchsbegründung) gehemmt war (§ 203 Satz 1 BGB).

BGH, Urteil vom 14.07.2022 - VII ZR 255/21

Redaktion beck-aktuell, 26. August 2022.