Agrarkonzern durfte brandenburgische Ackerflächen nicht verkaufen
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Der Bundesgerichtshof hat erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine rechtswidrig erteilte Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz zurückgenommen werden kann. Die Rücknahme könne – auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehle – in dem Verfahren nach § 22 LwVG gerichtlich überprüft werden. Das übergeordnete Ministerium sei befugt, die Rechtsbeschwerde zu erheben.

Über 2.000 Hektar Ackerland gehen über Umweg an Versicherungskonzern

Im konkreten Fall hat der Landwirtschaftssenat des BGH die Entscheidung zum Verkauf von brandenburgischen Ackerflächen durch einen Agrarkonzern aufgehoben und den Rechtsfall zum Oberlandesgericht zurückverwiesen. 2015 verkauften 14 Gesellschaften eines Agrarkonzerns, darunter die Verkäufern (Beteiligte zu 1), landwirtschaftliche Grundstücke von insgesamt rund 2.262 Hektar zu einzeln ausgewiesenen Kaufpreisen in Höhe von insgesamt rund 26,7 Millionen Euro an ein ebenfalls dem Agrarkonzern zugehöriges Unternehmen (Erwerberin, Beteiligte zu 2). Die Vertragsparteien vereinbarten eine langfristige Rückverpachtung der Flächen an die jeweiligen Verkäuferinnen. Der zuständige Landkreis (Beteiligter zu 3) erteilte im Juli 2015 die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Kurze Zeit später übertrug die Alleingesellschafterin der Erwerberin 94,9% ihrer Geschäftsanteile auf eine Kapitalanlagegesellschaft, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört. Im Februar 2016 wurde die Erwerberin in das Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

Landkreis und Agrarkonzern streiten über Rücknahme der Genehmigungen

Mit Schreiben vom 29.06.2017 teilte der Landkreis den Beteiligten mit, dass er die Rücknahme der erteilten Genehmigungen beabsichtige und die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorbereite. Gestützt auf den Versagungsgrund einer ungesunden Verteilung des Grund und Bodens nahm der Landkreis sodann mit Bescheid vom 27.09.2017 die Genehmigung unter anderem für die Veräußerung der Flächen der Verkäuferin zurück und teilte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das gemeinnützige Siedlungsunternehmen mit. Das Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht) hat die Einwendungen der Beteiligten zu 1 und 2 gegen die Rücknahme der Genehmigung zurückgewiesen und die Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Dagegen haben sich die Beteiligten mit wechselseitigen Beschwerden gewendet. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts abgetrennt und den Rücknahmebescheid insoweit aufgehoben, als er die von der Beteiligten zu 1 verkauften Flächen betrifft.

BGH: Privatrechtsgestaltende Wirkung steht Rücknahme nicht entgegen

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (Beteiligter zu 4) insoweit die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen und hat vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Der Senat für Landwirtschaftssachen entschied, dass die Rücknahme einer Grundstückverkehrsgenehmigung in dem Verfahren nach § 22 LwVG gerichtlich überprüft werden kann und das übergeordnete Ministerium befugt ist, die Rechtsbeschwerde zu erheben. In der Sache entschied der BGH, dass der Rücknahmebescheid zu Unrecht aufgehoben worden sei. Zunächst stellte der Senat für Landwirtschaftssachen am BGH fest, dass die Entscheidung über die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz ein Verwaltungsakt ist, auf den die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden sind, soweit nicht im Grundstückverkehrsgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist. Infolgedessen richte sich die Rücknahme einer rechtswidrigen Genehmigung nach § 48 Abs. 3 VwVfG. Die privatrechtsgestaltende Wirkung, die darin bestehe, dass mit der Erteilung der Genehmigung die zuvor unwirksame Veräußerung wirksam wird, stehe einer Rücknahme ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass diese nur für Teile der veräußerten Flächen erfolgt sei.

Genehmigungsfiktion gilt hier nicht - Rechtsgedanke des § 7 Abs. 3 GrdstVG zu berücksichtigen

Hingegen war laut BGH die Annahme des OLG fehlerhaft, die Rücknahme sei gemäß § 7 Abs. 3 GrdstVG ausgeschlossen. Der BGH wies darauf hin, dass die dort vorgesehene Genehmigungsfiktion nach Ablauf eines Jahres ab Grundbucheintragung nur für nicht genehmigte Rechtsgeschäfte gelte und nicht eintrete, wenn die Eintragung in das Grundbuch aufgrund eines (wenn auch rechtswidrig) genehmigten Rechtsgeschäfts vorgenommen worden ist. Allerdings müsse der Rechtsgedanke des § 7 Abs. 3 GrdstVG bei einem nach § 48 VwVfG durchzuführenden Rücknahmeverfahren im Rahmen der Ermessenausübung berücksichtigt werden. Die Rücknahme sei deshalb regelmäßig ausgeschlossen, wenn das Rücknahmeverfahren nicht innerhalb eines Jahres nach Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch nach außen erkennbar eingeleitet worden ist. Das entspreche dem Zweck des § 7 Abs. 3 GrdstVG, den Vertragsparteien nach dem Ablauf einer gewissen Zeit Gewissheit über die Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäftes und die Richtigkeit des Grundbuchs zu verschaffen und damit den Rechtsfrieden zu gewährleisten.

Jahresfrist greift mangels Vertrauensschutz nicht

Die Jahresfrist greift laut BGH aber dann nicht ein, wenn die in § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG genannten Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich die Beteiligten nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Insoweit genieße das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes grundsätzlich Vorrang. Gegenteiliges könne § 7 Abs. 3 GrdstVG nicht entnommen werden. Für den konkreten Fall stellte der BGH klar, dass auf den Bestand der Genehmigung beide Vertragsparteien in den in § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG geregelten Fällen von vornherein nicht vertrauen konnten. Das Vertrauen in die rechtswidrig erlangte Grundbucheintragung könne nicht weiterreichen als das Vertrauen in die Genehmigung selbst, so der Senat. Er verwies darauf, dass gutgläubige Dritterwerber ohnehin durch die Gutglaubensvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschützt würden.

Angaben der Erwerberin unvollständig und unrichtig - Erteilte Genehmigungen rechtswidrig

Der Senat für Landwirtschaftssachen konnte nicht selbst in der Sache entscheiden, ließ aber keine Zweifel daran, dass die erteilte Genehmigung, wie in § 48 Abs. 3 VwVfG vorausgesetzt, rechtswidrig ist. Rechtswidrig sei ein Verwaltungsakt unter anderem dann, wenn die Behörde bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweise. Hier habe die Erwerberin in ihrem Genehmigungsantrag angegeben, dass der Erwerb der Grundstücke dazu diene, im Zuge einer Umstrukturierung eine konzerninterne Besitzgesellschaft zu schaffen. Diese Angaben waren unvollständig, so der BGH, da die Änderungen bei den Gesellschaftern der Erwerberin schon in die Wege geleitet worden waren, und unrichtig, weil die dauerhafte Einbringung der Flächen in eine konzerninterne Besitzgesellschaft nicht beabsichtigt war.

Strenge Kriterien für Veräußerung an einen Nichtlandwirt

Diese Angaben waren laut BGH von entscheidender Bedeutung. Denn gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG ist die Genehmigung nach ständiger Rechtsprechung in der Regel zu versagen, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt veräußert werden soll und ein Landwirt das Grundstück zur Aufstockung seines Betriebes dringend benötigt und zum Erwerb bereit und in der Lage ist, die Fläche zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben. Nur ausnahmsweise könne eine reine Besitzgesellschaft als Landwirt angesehen werden, und zwar dann, wenn ein landwirtschaftliches Unternehmen in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft aufgespalten werde und eine sachliche und personelle Verflechtung beider Gesellschaften sichergestellt sei. Hier sei die Erwerberin zweifelsfrei als Nichtlandwirt anzusehen. Der Flächenerwerb diene nämlich der Weiterveräußerung an eine konzernfremde Kapitalanlagegesellschaft, die Gewinne aus der Rückverpachtung erzielen sollte. Eine Gesellschaft dieser Art sei nach gefestigter Rechtsprechung auch dann nicht als Landwirt anzusehen, wenn sie - wie die Erwerberin - zu einer langfristigen Verpachtung an Landwirte bereit ist. Denn eine Pachtlanderweiterung gebe dem Landwirt keine dem Eigentumserwerb an den bewirtschafteten Flächen vergleichbar sichere Grundlage für langfristige Betriebsdispositionen. Eine Akkumulation landwirtschaftlicher Grundstücke im Eigentum solcher Unternehmen liefe den Zielen des Grundstücksverkehrsgesetzes zuwider.

Genehmigung aufgrund unzutreffender Angaben erteilt

Da der Landkreis davon ausgehen durfte, dass der Antrag wahrheitsgemäße Angaben enthielt, und weitere eigene Ermittlungen nicht vorgenommen hat, steht laut BGH fest, dass die Genehmigung auf der Grundlage der objektiv unzutreffenden Angaben in dem Antrag erteilt worden ist. Weil der Landkreis danach keinen Anlass gesehen habe, den Vertrag gemäß § 12 GrdstVG der Siedlungsbehörde vorzulegen, hänge die Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch nicht davon ab, ob dringend aufstockungsbedürftige und leistungsfähige Landwirte im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zu einem Erwerb der Flächen bereit gewesen wären. Dies sei nur für die mit der Rücknahme zu verbindende Versagung der Genehmigung - und zwar bezogen auf diesen Zeitpunkt - von Bedeutung. Der Umstand, dass die Anhörung in dem Rücknahmeverfahren mehr als ein Jahr nach Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erfolgt ist, führt den BGH-Richtern zufolge nicht dazu, dass die Rücknahme nach dem Rechtsgedanken des § 7 Abs. 3 GrdstVG ausgeschlossen ist. Dass der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt worden ist, liege zwar nahe, könne aber dahinstehen. Denn jedenfalls der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG sei erfüllt. Danach könne sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er - wie hier - den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.

BGH zur Abtrennung der Rechtsmittel

Eine eigene Sachentscheidung war dem BGH schon deshalb nicht möglich, weil das OLG verfahrensfehlerhaft die auf die Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts bezogenen Beschwerden von den die Rücknahmeentscheidung betreffenden Rechtsmitteln abgetrennt hat. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz ausgeübt werden kann, so habe die Behörde schon während des Rücknahmeverfahrens die Erklärung der Siedlungsbehörde über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die vorkaufsberechtigte Stelle herbeizuführen und müsse den Veräußerer über diesen Vorgang in Kenntnis setzen. Die Rücknahme müsse zwingend mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts verbunden werden. Eine Entscheidung über die Rücknahme der erteilten Genehmigung und deren Versagung (die in der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts enthalten ist) könne also nur einheitlich ergehen. Das OLG müsse daher die Verfahren erneut verbinden, um dann zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Rücknahmebescheids dringend aufstockungsbedürftige und leistungsfähige Landwirte zu einem Erwerb der Flächen zu den Bedingungen des Kaufvertrags bereit und in der Lage waren. Dann wäre ein Versagungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG gegeben, und die Rücknahme und die damit verknüpfte Versagung der Genehmigung dürften rechtmäßig sein und dem Ziel des Grundstückverkehrsgesetzes, die Agrarstruktur der Bundesrepublik zu verbessern und land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu sichern, entsprechen.

BGH, Beschluss vom 29.04.2022 - BLw 5/20

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 17. Mai 2022.