Im Streit um die Erstellung einer Kapitalanlage hatte das Landgericht Hamburg nicht nur die Klage über 60.000 Euro abgewiesen, sondern auch der Widerklage auf Rückzahlung von 37.500 Euro stattgegeben. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (offizielle Bezeichnung sogar nur Hanseatisches Oberlandesgericht) wird nicht mehr klären müssen, ob die Entscheidung inhaltlich richtig war. Die Berufungsbegründung war zwar bei einem Hanseatischen OLG eingegangen, aber bei dem in Bremen (Ortsbezeichnung hier Teil des Namens).
Passiert war Folgendes: Der Schriftsatz enthielt die korrekte vollständige Bezeichnung des OLG Hamburg. In der Empfängersuche des beA fand sich unter der Bezeichnung "hanseatisch" nur das Bremer Gericht – entsprechend stellte die Angestellte das beA ein. Dem Anwalt fiel dies vor der Versendung auf.
In seinen Worten lautete seine anschließende Anweisung so: "Ich wies Frau D. darauf hin, dass das Berufungsgericht in Hamburg zuständig wäre und sie dies bitte ändern möge." In der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin las sich der Auftrag etwas vager: "Herr W. sichtete die von mir erstellte beA-Nachricht und fragte, warum das Gericht in Bremen säße, eigentlich zuständig wäre das Berufungsgericht in Hamburg. Hierauf antwortete ich, dass ich das nochmal prüfen und ggf. korrigieren würde."
Da es im Empfängerverzeichnis des beA weiterhin nur ein "hanseatisches" Gericht gab, kam die Mitarbeiterin zu dem Schluss, dass es sich hier um ein gemeinsames OLG der Hansestädte handeln müsse. Der Anwalt prüfte den Vorgang nicht nochmals und der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH Beschluss vom 31.08.2023 - III ZB 72/22) bestätigte die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags.
BGH: Erkennbare Unsicherheit
Die Richterinnen und Richter räumten dabei ein, dass eine unklare Gerichtsbezeichnung durchaus Grund für eine Wiedereinsetzung sein könnte – irreführende Bezeichnungen gingen zulasten der Justiz. Dies, so der BGH, war hier aber nicht das Problem. Vielmehr habe keine "konkrete Einzelanweisung" ohne jeden Entscheidungsspielraum vorgelegen, auf deren Befolgung sich der Anwalt ungeprüft hätte verlassen dürfen. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten ergebe sich lediglich ein Auftrag, den Adressaten zu prüfen und – nach ihrem Verständnis – diesen "ggf." zu korrigieren. Aufgrund ihrer erkennbaren Unsicherheit hätte der Rechtsanwalt nach Ansicht des III. Zivilsenats die Sache im Blick behalten müssen.