Haftungsprivilegierung sperrt Hinterbliebenengeld

Die innerbetriebliche Haftungsprivilegierung sperrt auch Ansprüche auf Hinterbliebenengeld. Der Bundesgerichtshof hat die umstrittene Frage entschieden und grenzt sie von seiner Rechtsprechung zur unbeschränkten Haftung für Schockschäden ab. Hinterbliebene hätten Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung und seien somit in deren System einbezogen.

Tod durch Baggerschaufel

Eine Frau verlangte von ihrem Sohn und seiner Kfz-Haftpflichtversicherung Hinterbliebenengeld nach dem Tod ihrer Schwiegertochter. Die beiden Frauen betrieben zusammen mit dem Ehemann einen Bauernhof. Beim Aufstellen eines neuen Weidezauns hielt die Schwiegertochter die Pfähle fest, und der Mann versenkte sie dann mit der Greifschaufel des Traktors im Boden. Dabei löste sich die Schaufel vom Arm und tötete seine Ehefrau. Die Berufsgenossenschaft wertete es als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall einer "Wie-Beschäftigten" im Sinn von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Das LG Koblenz wies die Klage auf Hinterbliebenengeld ab. Hier greife der Haftungsausschluss für Betriebsangehörige nach §§ 104, 105 SGB VII. Das OLG Koblenz entschied anders: Das Urteil des VI. Zivilsenats des BGH (NJW-RR 2007, 1395), Schockschäden Dritter von der Haftungsprivilegierung auszunehmen, sei auf das Hinterbliebenengeld zu übertragen. Dieser Argumentation erteilte der BGH eine Absage.

Gesetzliche Unfallversicherung

Die Karlsruher Richter entschieden sich nun für die auch von der überwiegenden Literatur vertretene Anwendbarkeit des Haftungsausschlusses auf das Hinterbliebenengeld. Die Grundsätze der Schockschadenshaftung passten nicht auf das Hinterbliebenengeld. Die Bundesrichter räumten ein, dass sie in dem Urteil von 2007 – mit Blick auf die bei einem Angehörigen durch den Unfalltod entstandenen Folgen – keine Grundlage für das "Friedensargument" mehr gesehen hatten, wenn die Betriebszugehörigkeit durch das Versterben beendet wurde. Der Wunsch, innerbetriebliche Streitigkeiten über die Schuld am Unfall zu vermeiden und den Betriebsfrieden zu wahren, sei aber nur ein Aspekt der Haftungsprivilegierung. Beim Hinterbliebenengeld kämen maßgeblich zwei weitere Facetten zum Tragen, nämlich der soziale Schutz und die Ersetzung von Haftung durch Versicherungsleistungen. Hinterbliebene könnten grundsätzlich Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wie etwa Sterbegeld oder Hinterbliebenenrente, erhalten, so dass sie – anders als in den Schockschadensfällen – in das System eingebunden seien. Der VI. Zivilsenat betonte, die Sperre setze nicht voraus, dass die Leistungen der Unfallversicherung und des Hinterbliebenengelds 1:1 deckungsgleich sind.

BGH, Urteil vom 08.02.2022 - VI ZR 3/21

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 22. März 2022.