Haftrichter an BAMF-Entscheidung gebunden

Ein Richter, der über die Abschiebungshaft gegen einen Ausländer zu entscheiden hat, darf eine Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über das Nichtvorliegen eines Asylantrags nicht auf deren Richtigkeit überprüfen. Er ist laut Bundesgerichtshof an die Bewertung der Behörde gebunden.

Asylantrag in Deutschland gestellt?

Ein junger Mann aus Tunesien hatte in Spanien Asyl beantragt. Noch vor der Entscheidung darüber reiste er nach Deutschland ein. Hier ordnete das Amtsgericht Offenburg die vorläufige Freiheitsentziehung an, um die Rückführung nach Spanien zu sichern. Die Haftrichterin verstand seine Äußerungen bei der Haftbefehlsverkündung so, dass er Asyl in Deutschland beantragte, und leitete das Protokoll deshalb an das BAMF weiter. Dieses fand in den Angaben keinerlei Schutzersuchen und behandelte sie deshalb nicht als Asylantrag, welcher unmittelbar einen Aufenthaltstitel - und damit seine Haftentlassung - zur Folge gehabt hätte. Der Mann habe lediglich geäußert, in Deutschland leben und arbeiten zu wollen. Spanien lehnte derweil die Übernahme des Mannes ab, weshalb die Behörde mit sofort vollziehbarer Verfügung die Abschiebung nach Tunesien anordnete. Das Amtsgericht Karlsruhe verhängte daraufhin Sicherungshaft für die Abschiebung nach Tunesien. Der Häftling meinte, das Gericht hätte im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 26 FamFG überprüfen müssen, ob seine Angaben vor der Haftrichterin in Offenburg einen Asylantrag enthalten hätten, und wehrte sich gegen die Haft. Das Landgericht Karlsruhe verkürzte zwar daraufhin die Haftdauer bis zum voraussichtlichen Abschiebungsdatum, wies seine Beschwerde aber im Übrigen ab. Auch vor dem Bundesgerichtshof war er am 6.10.2020 erfolglos.

Haftrichter entscheidet nicht über Asylantrag

Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Angaben des Häftlings keinen Asylantrag entnimmt, ist der Abschiebungshaftrichter laut BGH nicht gehalten, diese Entscheidung zu überprüfen oder gar durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Allein die Behörde habe die Angaben des Tunesiers zu bewerten. Etwas anderes würde nur gelten, wenn dieser angegeben hätte, dass er für seinen Antrag vor dem Verwaltungsgericht Rechtsschutz suche. Dann müsse der Haftrichter dort nachfragen, wie es dessen Erfolgsaussichten beurteile, weil eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AufenthG die Abschiebung hindern würde und damit auch für eine Haftanordnung wichtig wäre (Gelingensprognose nach § 62 Abs. 3 Satz 3 und 4 AufenthG).

BGH, Beschluss vom 06.10.2020 - XIII ZB 21/20

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2020.