Haftbefehl: Vollstreckungsbescheid im Original vorzulegen

Die Übermittlung eines Vollstreckungsbescheids als elektronisches Dokument ist ausschließlich für an den Gerichtsvollzieher gerichtete Aufträge erlaubt. Für den Erlass eines Haftbefehls darf das Gericht laut Bundesgerichtshof stets die Vorlage des Originaltitels verlangen, da dessen Vollzug zu einem einschneidenden Grundrechtseingriff führt.

Schuldnerin zahlt nach Haftbefehlsantrag

Ein Gläubiger betrieb die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid wegen einer Geldforderung von 1.405 Euro. Dazu hatte er beim Berliner Amtsgericht Schöneberg auf elektronischem Weg einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher erteilt. Nachdem die Schuldnerin  in dem von der Gerichtsvollzieherin anberaumten Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt nicht erschienen war, leitete die Beamtin ihre Akte nebst den darin befindlichen Ausdrucken des Vollstreckungsbescheids und des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls an das AG weiter. Dieses forderte beim Forderungsinhaber den Vollstreckungsbescheid im Original an, was dieser ignorierte. Daraufhin wies das Gericht den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück. Die sofortige Beschwerde scheiterte beim Landgericht Berlin. Dagegen erhob der Gläubiger Rechtsbeschwerde beim BGH. Im Laufe des Verfahrens hat die Schuldnerin die Forderung beglichen. Anschließend erklärte der Gläubiger den Antrag für erledigt. Darüber wurde die Gegnerin informiert. Falls sie nicht binnen zwei Wochen widerspreche, gehe man von ihrer Zustimmung aus. Sie schwieg dazu. Der BGH hatte nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Gericht darf Originaltitel verlangen

Das Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls (§ 802g Abs. 1 ZPO) ist den obersten Zivilrichtern zufolge aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien in der Hauptsache erledigt. Aufgrund des fehlenden Widerspruchs der Schuldnerin innerhalb der Zweiwochenfrist des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO gelte ihre Zustimmung als erteilt; darauf sei sie zuvor hingewiesen worden. Allerdings habe der Gläubiger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie seien schon deshalb nicht der Kontrahentin aufzuerlegen, weil sie die Forderung beglichen und sich damit freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben habe. Das LG sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich das AG für die Anordnung von Erzwingungshaft nicht mit der Vorlage einer Abschrift des Vollstreckungsbescheids als elektronisches Dokument begnügen müsse. Die Regelung in § 754a ZPO zum elektronischen Vollstreckungsauftrag sei bereits nach ihrem Wortlaut im richterlichen Verfahren nicht auf den Erlass eines Haftbefehls anwendbar. Da dessen Vollzug wegen der Freiheitsentziehung zu einem einschneidenden Grundrechtseingriff führe (Art. 2 Abs. 2 S. 2 und 3 GG, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) und um der Missbrauchsgefahr wegen eingeschränkter Prüfungsmöglichkeiten des Vollstreckungsgerichts entgegenzuwirken, könne stets die Vorlage des Originaltitels verlangt werden.

BGH, Beschluss vom 23.09.2021 - I ZB 9/21

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2021.