Grundsatzentscheidung zu Cannabis-Strafbarkeit: Handel vor Konsum

Eine große Platte zum Verkaufen, ein kleiner Beutel zum Selbstrauchen: Ist in solchen Konstellationen neben dem Handel auch der Besitz strafbar? Der Große Strafsenat des BGH hat das verneint, die Menge zum Eigenkonsum dürfen Täter aber trotzdem nicht behalten.

Trägt jemand sowohl zum Eigenkonsum als auch zum Handel Cannabis bei sich, kommt es für einen strafbaren Besitz darauf an, ob die hierfür vorgesehene Menge die strafrechtlich erlaubten 30 Gramm überschreitet. Ist das nicht der Fall, tritt der Besitz konkurrenzrechtlich hinter dem strafbaren Handeln zurück, auch wenn die Gesamtmenge (des Eigenbesitzes und des gehandelten Cannabis) den Grenzwert überschreitet. Unabhängig davon ist die Einziehung der gesamten Besitzmenge indes auch in solchen Fällen erlaubt, wie der Große Senat für Strafsachen des BGH nun entschieden hat (Beschluss vom 03.02.2025 – GSSt 1/24).

Dahinter steht folgender Fall: Über 27 Gramm Marihuana und fast 20 Gramm Haschisch hatte ein Mann dabei, wollte davon aber nur etwa die Hälfte verkaufen; die andere Hälfte war für den eigenen Genuss gedacht. Nach einer Polizeikontrolle wurde sowohl das Marihuana als auch das Haschisch sichergestellt.

Der 2. Strafsenat des BGH hegte im Revisionsverfahren Zweifel, ob der Mann dafür in Tateinheit sowohl für den Handel als auch den Besitz schuldig zu sprechen sei. So habe der 1. Strafsenat im Juni 2024 entschieden, dass es für die Besitzstrafbarkeit in solchen Fällen allein auf den Konsumanteil ankomme. Andererseits habe der 4. Strafsenat auf die vom KCanG erlaubten Freimengen abgestellt, die sanktionslos bleiben müssten und insbesondere auch nicht eingezogen werden dürften. 

Der 2. Senat legte dem Großen Senat für Strafsachen deshalb zwei Fragen vor: Erstens, ob es für eine Besitzstrafbarkeit (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. 1 und b KCanG) nun auf den Konsumanteil oder die Gesamtmenge des mitgeführten Cannabis ankomme. Und zweitens, ob bei der Einziehung des Cannabis (§ 37 KCanG) stets eine erlaubte Konsummenge übrigbleiben müsse. 

Großer Handel verdrängt kleinen Besitz

Der Große Senat beantwortete die erste Frage nach konkurrenzrechtlichen Gesichtspunkten. Zwar brächten sowohl der Besitz von mehr als 30 Gramm als auch der Handel die gleiche Strafandrohung mit sich (Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haftstrafe), ersterer habe aber einen geringeren Unwertgehalt. Das Verhältnis von Konsum- und Handelsmenge sei daher sowohl für die Einordnung des Sachverhalts als auch für die spätere Gewichtung der Taten im Rahmen der Strafzumessung relevant.  

Der Senat führte im Wesentlichen aus, dass ein Täter oder eine Täterin das Cannabis in diesen Fällen durchaus im Rechtssinne "besitze", das Handeltreiben verdränge den Besitz allerdings, soweit die Handelsmenge reiche. Der Besitz gehe als Auffangtatbestand des § 34 KCanG in der spezielleren Tatvariante des Handeltreibens auf, von dem er wiederum ein Teilakt sei. Das führe zu einem rechtlichen "Nebeneinander" der beiden Strafbarkeiten, wodurch die beiden Mengen nach allgemeinen konkurrenzrechtlichen Grundsätzen getrennt betrachtet werden müssten. Dass es dadurch passieren könne, dass Angeklagte wegen des Handels, aber nicht wegen des übrigen (unterschwelligen) Besitzes schuldig gesprochen würden, sei vom Gesetz gerade gewollt.

Diese Beurteilung trage auch dem Unrechtsgehalt der beiden Delikte ausreichend Rechnung. Der Täter mache sich nach dem KCanG überhaupt nur strafbar, indem er die angegebenen Grenzwerte überschreite. Der Unrechtsgehalt werde erst dadurch bestimmt, inwieweit diese Grenzen überschritten seien. Wenn ein Gericht nun lediglich auf das Handeltreiben abstelle, bilde das seine Schuld ausreichend ab, so der Senat.

Trotzdem darf alles eingezogen werden

Der Senat betonte allerdings, dass diese strafrechtliche Beurteilung sich nicht direkt ins Einziehungsrecht übersetzen lasse. Die freigestellte Besitzmengen seien nicht automatisch als einziehungsfest zu verstehen. 

§ 37 KCanG bestimme insofern, dass Gegenstände, auf die sich eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit nach dem KCanG "beziehen", eingezogen werden dürften. Das erlaube, so der Große Senat, eine Einziehung mit Strafcharakter oder eine Sicherungseinziehung, die wiederum nicht an Mengenangaben geknüpft seien. Das decke sich etwa auch mit dem Einziehungsrecht bei Geldwäschedelikten: Dort würden auch alle Vermögensgegenstände als Einheit eingezogen, ungeachtet dessen, ob sie mit legalen oder inkriminierten Mitteln erworben worden seien. 

Das gelte auch dann, wenn die eigentlich erlaubte Konsummenge und die unerlaubte Handelsmenge getrennt voneinander aufbewahrt würden. Besitze ein Täter etwa einen 50-Gramm-Beutel zum Handel und nur 15 Gramm zum Eigenbesitz, sei er – aus Konkurrenzgründen – zwar nicht wegen Besitzes schuldig zu sprechen. Die Einziehung dürfe sich aber trotzdem auf die Besitzstrafbarkeit stützen, die "der Sache nach" vorliege. 

BGH, Beschluss vom 03.02.2025 - GSSt 1/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 2. Juli 2025.

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