Grunddienstbarkeit: Gehrecht umfasst auch Fahrrecht

Ist im Grundbuch ein Gehrecht eingetragen ("als Übergang zu benutzen"), darf der Nachbar das Grundstück auch mit einem Fahrzeug überqueren. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass ein Fahrrecht nur dann ausscheidet, wenn sich aus dem Grundbuch eine eindeutige Beschränkung auf ein "bloßes Recht zum fußläufigen Überqueren" des dienenden Grundstücks ergibt.

Flurstück "als Übergang zu benutzen"

Der Eigentümer eines Grundstücks mit darauf eingetragenem Wegerecht verlangte von seiner Nachbarin, nicht mehr mit ihrem Pkw über seinen Grund und Boden zu fahren. Die in ihrem Eigentum stehenden zwei Flurstücke (142 und 143) grenzten an die Parzellen des Eigners an (140 und 141). Sie verfügten über keine Verbindung mit einer öffentlichen Straße und bildeten früher – ursprünglich zusammen mit einem weiteren Stück Land – ein einheitliches Grundstück. Seit dessen Aufteilung im Jahr 1936 lastete auf dem Flurstück 141 eine Grunddienstbarkeit. Laut Grundbucheintrag ist die Anwohnerin berechtigt, dieses "als Übergang zu benutzen" und dort Versorgungsleitungen zu verlegen. Das LG Hamburg wies die Klage ab. Die Berufung war vor dem OLG Hamburg erfolgreich: Ein Recht zum Befahren des Flurstücks ergebe sich weder aus der Grunddienstbarkeit noch aus einem Notwegerecht. Wäre die Bestellung auch eines Fahrrechts gewollt gewesen, hätte dies eindeutig formuliert werden können.

BGH: Eigentümer muss Befahren dulden

Die Revision der Nachbarin hatte vor dem BGH Erfolg. Dem Eigentümer stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu, weil er das Befahren des Flurstücks 141 mit einem Auto oder einem sonstigen Fahrzeug infolge der auf seinem Grundstück lastenden Grunddienstbarkeit dulden müsse (§ 1004 Abs. 2 BGB). Aus Sicht der Richter nimmt das OLG Hamburg rechtsfehlerhaft an, dass die Grunddienstbarkeit dem Berechtigten nur ein Gehrecht, nicht aber auch ein Fahrrecht einräumt.

Mittel des Überquerens sind nicht eingeschränkt

Dem V. Zivilsenat zufolge berechtigt die Grunddienstbarkeit nach dem Wortlaut des Grundbucheintrags dazu, das Flurstück "als Übergang zu benutzen". Mit welchen Mitteln das Überqueren der Fläche des belasteten Flurstücks erfolgen könne, werde mit der verwendeten Formulierung nicht eingegrenzt. Laut BGH berechtigt das durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Recht, ein Grundstück "als Übergang zu benutzen", daher auch dazu, dieses mit einem Kraftfahrzeug zu überqueren. Etwas anderes gelte nur dann, wenn sich eine Beschränkung in eindeutiger Weise aus den bei der Auslegung der Grundbucheintragung bestehenden Umständen ergibt.

BGH, Urteil vom 18.09.2020 - V ZR 28/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2020.