Gründer lokaler "Atomwaffen Division"-Gruppe bleibt in Untersuchungshaft

Der Bundesgerichtshof hat am 06.04.2022 im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Dies ist dann möglich, wenn Schwierigkeit oder Umfang der Ermittlungen das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Der Aktenbestand im Verfahren des Neo-Nazis, der eine terroristische Gruppe organisiert und mit selbst hergestellten Sprengsätzen Anschläge vorbereitet haben soll, umfasse mittlerweile 20 Stehordner.

Versuchte Gründung einer terroristischen Vereinigung

Der Angeschuldigte – mit starkem Interesse an der rechtsextremistischen und gewaltbereiten Gruppierung "Atomwaffen Division" (AWD) – wurde am 16.09.2021 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft – zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Kassel vom 17.09.2021 und nunmehr aufgrund einer Anordnung des Ermittlungsrichters des BGH vom 29.12.2021. Der Vorwurf: Der Angeschuldigte soll in der Zeit von Mai 2021 bis zu seiner vorläufigen Festnahme als Heranwachsender versucht haben, eine terroristische Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB zu gründen, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sei, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Er habe eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er mit im Internet beschafften Stoffen Sprengsätze gebaut habe, um Anschläge vorzubereiten. Deren Sprengwirkung habe fast den Wirkungsgrad von militärischem Sprengstoff erreicht. Der Generalbundesanwalt erhob am 31.03.2022 Anklage zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Der BGH ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus an (Az.: AK 11/22).

Schwierigkeit und Umfang der Ermittlungen rechtfertigen weiteren Vollzug

Dem 3. Strafsenat des BGH zufolge hat die Untersuchungshaft des Heranwachsenden über sechs Monate hinaus fortzudauern (§ 121 Abs. 1 StPO). Er sei der ihm im Haftbefehl zur Last gelegten Taten dringend verdächtig. Nachdem er sich intensiv über die AWD informiert hatte, setzte er sich laut BGH ab Anfang Juli 2021 zum Ziel, eine eigene schlagkräftige und bewaffnete Gruppe nach den Vorgaben der Gruppierung mit der Bezeichnung "AWDD H." aufzubauen, die unter Verwendung von Sprengsätzen und Schusswaffen Gewalttaten bis hin zu tödlichen Anschlägen insbesondere gegenüber Migranten und Menschen jüdischen Glaubens begehen sollte. Dafür spreche, dass er in einer eigenen Schmähschrift den "totalen Rassenkrieg" als Ziel formuliert habe. Zudem habe er über diverse Chatgruppen versucht, Mitglieder zu rekrutieren und an Waffen zu gelangen. Am 11.09.2021 habe der junge Mann in einer Internet-Suchmaschine neben Artikeln zu dem Sturmgewehr G36 und den Begriffen zweier Grundschulen nach Grundrissen des Bundestagsgebäudes recherchiert. Ab Mai 2021 habe er sich im Internet Bestandteile für den Bau von Sprengsätzen mit hoher Sprengkraft besorgt. Der Angeschuldigte sei fest entschlossen gewesen, das Material für einen Anschlag zu nutzen. Laut BGH bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Der Umstand, dass sich der Aktenbestand des Ermittlungsverfahrens mittlerweile auf 20 Stehordner belaufe, Ergebnisse zu Sachverständigengutachten noch ausstünden und 70 sichergestellte Datenträger mit einem Datenvolumen von über 18 Terabyte ausgewertet werden müssten, rechtfertige die Fortdauer des Vollzugs.

BGH, Beschluss vom 06.04.2022 - 06.04.2022 AK 11/22

Redaktion beck-aktuell, 26. April 2022.