BGH: Google muss Ergebnis-Links nicht proaktiv auf mögliche Rechtsverletzungen überprüfen

Der Betreiber einer Internet-Suchmaschine ist nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses zu vergewissern, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Der Suchmaschinenbetreiber muss erst reagieren, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kenntnis erlangt. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.02.2018 entschieden (Az.:VI ZR 489/16).

IT-Dienstleister nach Tätigkeit für Internet-Forum beschimpft

Die Kläger, ein Ehepaar, sind IT-Dienstleister. Sie nehmen "Google" in der Hauptsache auf Unterlassung in Anspruch, bestimmte vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine auffindbar zu machen. Der Kläger hatte ab Mitte Februar 2011 beim Aufsetzen des "F-Internetforums" geholfen. Mitglieder dieses Forums führten mittels Beiträgen auf verschiedenen Forenseiten Auseinandersetzungen mit Mitgliedern eines anderen Internetforums. Den Mitgliedern des F-Internetforums wurde unter anderem vorgeworfen, Dritte zu stalken und zu drangsalieren. Aufgrund einer von dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für das F-Internetforum eingerichteten E-Mail-Weiterleitung stellten Dritte die IP-Adresse und die Identität des Klägers fest und gaben diese Informationen an Mitglieder des mit dem F-Internetforum verfeindeten Internetforums weiter. Letztere verfassten sodann auf den mit der Klage beanstandeten Internetseiten Beiträge, in denen der Kläger für Handlungen von Mitgliedern des F-Internetforums verantwortlich gemacht wurde.

Suchergebnisse verunglimpften den Kläger

Die bei zielgerichteter Suche in der Ergebnisliste der Beklagten nachgewiesenen Seiten enthielten deshalb Inhalte, wonach der Kläger das F-Internetforum betreibe, für die dort veröffentlichten Inhalte (mit-)verantwortlich sei oder von den Inhalten des Forums zumindest Kenntnis gehabt habe und die Klägerin von der Rolle ihres Mannes in diesem Forum Kenntnis gehabt haben müsse. Dabei wurden in Bezug auf die Kläger Worte gebraucht wie etwa "Arschkriecher", "Schwerstkriminelle", "kriminelle Schufte", "Terroristen", "Bande", "Stalker", "krimineller Stalkerhaushalt". Das Landgericht hatte der Unterlassungsklage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger ihre Klageanträge weiterverfolgt.

BGH: Keine Zueigenmachung durch Aufnahme in den Suchindex

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Den Klägern stünden gegen Google keine Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Die von den Klägern beanstandeten Inhalte auf den Internetseiten, welche die Beklagte durch Verlinkung auffindbar mache, seien keine eigenen Inhalte der Beklagten, sondern würden von anderen Personen ins Internet eingestellt. Die Beklagte habe sich die Inhalte durch Aufnahme in den Suchindex auch nicht zu Eigen gemacht. Die Beklagte durchsuche lediglich mit Hilfe von Programmen die im Internet vorhandenen Seiten und erstelle hieraus automatisiert einen Suchindex. Zwar könne die Beklagte grundsätzlich auch als "mittelbare Störerin" haften, wenn sie zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts willentlich und mitursächlich beitrage. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers setze aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus.

Keine allgemeine Kontrollpflicht für Suchmaschinenbetreiber

Vom ihm könne vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich vergewissere, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden seien, bevor er diese auffindbar mache. Die Annahme einer - praktisch kaum zu bewerkstelligenden - allgemeinen Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht sei, ernstlich in Frage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar. Den Betreiber einer Suchmaschine träfen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt habe.

Persönlichkeitsrechte des Klägers sind verletzt

Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Die beanstandeten Bezeichnungen der Kläger seien zwar ausfallend scharf und beeinträchtigten ihre Ehre. Ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt stünde aber nicht von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes. Die Äußerungen seien ersichtlich im Zusammenhang mit der Rolle getätigt worden, die der Kläger beim F-Internetforum gespielt haben soll. Nach dem Inhalt der beanstandeten Suchergebnisse würde den Mitgliedern des F-Internetforums Stalking (Straftat im Sinn des § 238 StGB) vorgeworfen. Die Beteiligung des Klägers an der Erstellung des F-Internetforums hätten die Kläger indes nicht zweifelsfrei klären können.

Rechtsverletzungen für Google nicht auf den ersten Blick klar erkennbar

Der Kläger habe selbst eingeräumt, am "Aufsetzen" des F-Internetforums beteiligt gewesen zu sein. Auch sei eine von ihm eingerichtete E-Mail-Weiterleitung über das F-Internetforum an ihn noch Wochen nach dem Aufsetzen des Forums aktiv gewesen. Über die eigene, durch "eidesstattliche Versicherung" bekräftigte, jedoch ziemlich allgemein gehaltene und pauschale Behauptung hinaus, mit dem F-Internetforum nichts zu tun zu haben, habe der Kläger keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der ihm - und zumindest mittelbar in Form der Mitwisserschaft seiner Frau, der Klägerin, - gemachten Vorwürfe aufgezeigt. Eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung habe die Beklagte den beanstandeten Äußerungen deshalb nicht entnehmen müssen.

BGH, Urteil vom 27.02.2018 - VI ZR 489/16

Redaktion beck-aktuell, 27. Februar 2018.

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