Kliniken müssen sich an ärztliche Gebührenordnung halten
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Privatkliniken dürfen in der Regel für ambulante Operationen keinen Pauschalpreis berechnen, sondern müssen sich an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) halten. Das hat der BGH entschieden und zugleich bekräftigt, dass das Absaugen von krankhaftem Fettgewebe (Liposuktion) die Behandlung einer Krankheit ist.

Geklagt hatte eine Patientin, die unter einem Lipödem – einer schmerzhaften Fettverteilungsstörung an Armen und Beinen – litt. Bei drei Terminen wurde ihr ambulant über eine Kanüle das überschüssige Gewebe entfernt. Dafür verlangte die Privatklinik pauschal 15.900 Euro; darin enthalten waren (medizinisch nicht notwendige) Übernachtungen in einem anderen Krankenhaus sowie ein paar zusätzliche Maßnahmen wie beispielsweise eine anschließende physiotherapeutische Behandlung. Zunächst bezahlte die Patientin die Rechnung, forderte das Geld dann aber vor Gericht zurück. Das LG Köln gab ihr fast vollständig recht, das dortige OLG in der Berufung immerhin noch knapp zur Hälfte. Der BGH erhöhte nun den Rückzahlungsbetrag in einer heute veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 13.06.2024 – III ZR 279/23) auf knapp 12.000 Euro.

Der Dritte Zivilsenat befand (wie erstmals vor Kurzem mit Urteil vom 04.04.2024 – III ZR 38/23, das er sogar in seiner amtlichen Sammlung veröffentlichen will, weil er damit einen langen Meinungsstreit unter Juristen beendet hat): Die ärztliche Gebührenordnung muss auch dann angewendet werden, "wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person wie zum Beispiel einem Krankenhausträger oder einem medizinischen Versorgungszentrum abgeschlossen wird". Weitere Voraussetzung: Dabei werden ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden, selbst mit dem Patienten aber keine Vertragsbeziehung eingehen.

Vertragspartner ist egal

Danach komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Patient den Behandlungsvertrag über die Erbringung ambulanter Leistungen unmittelbar mit dem Arzt oder einer juristischen Person schließt. Das ergebe sich schon aus dem weit gefassten Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ – einer Verordnung – einerseits und dem des § 11 S. 1 Bundesärzteordnung (BÄO) – der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der GOÄ – andererseits, vor allem aber aus dem Sinn und Zweck der Verordnung. Danach seien die Bestimmungen auf alle "beruflichen Leistungen der Ärzte" anwendbar, heißt es in dem aktuellen Urteil. "Beide Vorschriften beziehen sich mithin explizit auf die Art der erbrachten Leistung und nicht auf den Inhaber der durch die ärztliche Leistung begründeten Forderung." Die GOÄ bezwecke als öffentlich-rechtliches (und damit zwingendes) Preisrecht einerseits, für die Leistungserbringer aufgrund angemessener Einnahmen die zuverlässige Grundlage für die Erbringung sorgfältiger hochwertiger ärztlicher Leistungen zu sichern. Und andererseits, eine unkontrollierbare und unzumutbare finanzielle Belastung der zahlungspflichtigen Patienten und der gegebenenfalls dahinter stehenden Kostenträger zu verhindern. Dies könne nicht einfach "durch Zwischenschaltung einer juristischen Person" umgangen werden.

Ein weiteres Argument entnehmen die Bundesrichter übrigens dem Gebührenrecht der Rechtsanwälte: Auch die Fassung der Parallelvorschrift im RVG lasse keinen Rückschluss auf einen abweichenden Willen des GOÄ-Verordnungsgebers zu. "Ungeachtet dessen, dass § 1 Abs. 1 S. 3 RVG – anders als § 1 Abs. 1 GOÄ – den Honoraranspruch ausdrücklich auch auf von der Rechtsanwaltskammer zugelassene Partnerschafts- oder sonstige Gesellschaften erstreckt, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum dies im Bereich der medizinischen Versorgung anders gehandhabt werden sollte." Ausnahmen lässt die oberste Zivilinstanz nur für Privatkliniken zu, die nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG) speziell gefördert werden oder die gemäß § 67 AO steuerlich begünstigt sind. Anders sei es zwar auch bei einem stationären oder teilstationären Aufenthalt in einem Hospital, über den regelmäßig ein "totaler Krankenhausaufaufnahmevertrag" geschlossen werde. Die Übernachtungen der Klägerin in einer kooperierenden Klinik seien hingegen lediglich "eine Art Hotelleistung" gewesen.

Keine Schönheits-OP

Während vor dem BSG zahlreiche Prozesse um die Kostenübernahme für eine Fettabsaugung durch gesetzliche Krankenkassen geführt wurden, ist für den BGH von vornherein klar, dass es sich nicht bloß um eine Schönheitsoperation handelt. Vielmehr unterfalle ein solcher Liposuktionseingriff der Nr. 2454 des GOÄ-Gebührenverzeichnisses – und zwar unabhängig davon, ob ein Lipom vorliege, bei dem es sich um eine lokal abgrenzbare Fettgeschwulst bzw. einen gutartigen Fettgewebstumor handelt, oder (wie hier) um ein Lipödem, also eine meist symmetrische Fehlverteilung von Fett an Armen, Beinen, Hüften oder dem Gesäß.

Einen Trost für die Krankenhausträger hält der BGH aber bereit: Schließlich könnten sie (innerhalb der Grenzen des Wuchers nach § 138 BGB) ihr Honorar über eine Erhöhung des Steigerungssatzes gemäß § 5 GOÄ hinaus durch eine Gebührenvereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOÄ steuern.

BGH, Urteil vom 13.06.2024 - III ZR 279/23

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 24. Juli 2024.