Gläubigerbenachteilungsvorsatz bei Sanierungsversuch
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Bezahlt ein Unternehmen einen Sanierungsberater für ein Konzept, um die Insolvenz abzuwenden, liegt dem Bundesgerichtshof zufolge nicht ohne weiteres der Vorsatz, andere Gläubiger zu benachteiligen, vor. Vielmehr müsse der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen, dass das Sanierungskonzept von vorneherein untauglich war und diese Tatsache dem Schuldner auch bekannt war. Die In­sol­ven­z­an­fech­tung von einem Be­ra­ter­ho­no­rar in Höhe von rund vier­ein­halb Mil­lio­nen Euro ist daher vor­läu­fig fehl­ge­schla­gen.

Photovoltaikkonzern unternimmt Sanierungsversuch

Nach dem Einbruch im Photovoltaik-Markt geriet der weltweit agierende Konzern "Q-Cells" 2011 in eine finanzielle Krise. Er engagierte eine Rechtsanwaltsgesellschaft, um sich ein Sanierungskonzept erstellen zu lassen. Um die Insolvenz zu vermeiden, riet die Sanierungsberaterin, sollten Verbindlichkeiten aus Wandelschuldverschreibungen in Eigenkapital umgewandelt werden. Dafür musste jeder einzelne Anleihegläubiger seine Zustimmung erteilen. Die Gläubigerversammlung stimmte zwar mehrheitlich zu, aber überstimmte Gläubiger erhoben Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen. Die Rechtsanwaltsgesellschaft stellte für die Beratungstätigkeit laufend Rechnungen in Höhe von insgesamt rund 4,5 Millionen Euro, die von dem Konzern auch beglichen wurden. Sie enthielten keine Angaben über die konkret abgerechneten Tätigkeiten. Nach knapp vier Monaten stellte Q-Cells aber doch einen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter forderte das Honorar des Sanierungsberaters zurück. Das Landgericht Frankfurt am Main gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Frankfurt setzte die Rückzahlungssumme auf rund eine halbe Million herab. Beide Parteien wandten sich an den Bundesgerichtshof – beide mit Erfolg.

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Rettungsversuch

Unternimmt ein Unternehmen einen Versuch, die Insolvenz abzuwenden, indem es einen Sanierungsberater engagiert, muss der Insolvenzverwalter dem BGH zufolge für die Anfechtung der Honorarzahlung nach § 133 Abs. 1 InsO darlegen. Auch müsse es beweisen, dass dieser Sanierungsversuch von vorneherein (Ex-ante-Betrachtung) untauglich war und dem Konzern das auch bewusst war. Dabei komme es zum einen darauf an, ob der Berater als kompetent anzusehen und ob das Konzept rechtlich vertretbar ist. Dabei sei ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dazu gehört laut den Karlsruher Richtern aber mindestens, auch die Ursache der Krise zu behandeln – nicht nur die akute Liquiditätslücke zu beseitigen. Da hierzu bisher noch nicht alle Feststellungen getroffen wurden, wiesen sie die Sache zurück.

Honorarzahlung ohne Angabe der konkreten Tätigkeit

Der IX. Zivilsenat bekräftigte zugleich, dass ein Rechtsanwalt und sein Mandant frei sind, vertraglich zu vereinbaren, wie die Rechnungen aussehen. Vereinbarten die Parteien also, dass diese ohne nähere Angaben zu der abgerechneten Tätigkeit fällig und durchsetzbar sind, sei § 10 Abs. 2 RVG insoweit abdingbar.

BGH, Urteil vom 03.03.2022 - IX ZR 78/20

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. jur. Joachim Jahn, Mitglied der NJW-Schriftleitung, 14. März 2022.