Gläubigerbenachteiligung: Beweis der fehlenden Kenntnis des Vorsatzes

Die bloße Hoffnung eines Gläubigers, sein Schuldner werde alle Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit bezahlen können, reicht nicht. Der BGH hat klargestellt, dass dieser die Vermutung, vom Benachteiligungsvorsatz seines Schuldners gewusst zu haben, nur auf der Grundlage von Tatsachen widerlegen kann.

Ein Insolvenzverwalter verklagte einen Gläubiger wegen Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO a.F. auf Rückzahlung von vier Beträgen in Höhe von insgesamt rund 378.000 Euro. Der Gläubiger hatte der Schuldnerin 2014 ein bis März 2015 rückzahlbares Darlehen in Höhe von 550.000 Euro gewährt. Damit wollte die Firma Anteile an einer Gesellschaft finanzieren, die Eigentümerin eines Hausgrundstücks in Berlin war. Auf dem Areal sollten Eigentumswohnungen gebaut werden. Nach dem Darlehensvertrag sollte der Gläubiger am Gewinn des Verkaufs zu 50% beteiligt werden. Nachdem die Schuldnerin in Verzug geraten war, stotterte sie auf Druck des Darlehensgebers die Summe von rund 378.000 Euro bis November 2015 in vier Teilzahlungen ab.

Bei den Berliner Vorinstanzen hatte der Verwalter das Nachsehen. Es fehle an der nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO erforderlichen Kenntnis des Geldgebers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, so das KG. Er hätte erwarten können, dass die Schuldnerin durch die Veräußerung der erworbenen Anteile (Share Deal) oder des Hausgrundstücks (Asset Deal) kurzfristig zahlungsfähig sein würde. Mit dem Gewinn hätte sie sogar alle übrigen Gläubiger bezahlen können.

BGH: Erfordernis einer hinreichend verlässlichen Beurteilungsgrundlage

Der IX. Zivilsenat stellte die Begründung, mit der das KG eine Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin verneint hat, in Frage (BGH, Urteil vom 26.10.2023 – IX ZR 112/22, rechtskräftig). Insbesondere – so die Karlsruher Richterinnen und Richter – fehlten Feststellungen zum Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und zum Eingreifen des Vermutungstatbestands des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Es sei daher zu unterstellen, dass die Schuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz handelte und der Beklagte ihre zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit und die Gläubigerbenachteiligung kannte.

Ausgehend von seiner vorherigen Rechtsprechung legt der BGH dar, dass zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO in jedem Fall erforderlich sei, dass für den Anfechtungsgegner eine hinreichend verlässliche Beurteilungsgrundlage vorliege, die dessen Optimismus rechtfertigen könne – wie etwa beim ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuch. Eine bloße Hoffnung auf Befriedigung der übrigen Gläubiger sei jedenfalls unzureichend. Da das KG offenließ, ob der Beklagte Informationen hatte, die auf eine Befriedigung der übrigen Gläubiger der Schuldnerin schließen ließen, müsse es zum Liquiditätszufluss und zu konkreten Angeboten und der Absicht der Schuldnerin erneut verhandeln.

BGH, Urteil vom 26.10.2023 - IX ZR 112/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 8. Januar 2024.