Kunsthallen-Betreiberin will Werk "HHole (for Mannheim)" beseitigen
Die Klägerin ist Künstlerin, die Beklagte betreibt die Kunsthalle Mannheim. Gegenstand des Verfahrens I ZR 98/17 ist die multimediale und multidimensionale Rauminstallation "HHole (for Mannheim)", die die Klägerin im Auftrag der Beklagten ab 2006 für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffen hat. Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind unter anderem die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden.
Lichtinstallation "PHaradies" bereits entfernt
Gegenstand des Verfahrens I ZR 99/17 ist eine von der Klägerin im Auftrag der Beklagten für den Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim ab dem Jahr 2006 erschaffene Lichtinstallation "PHaradies". Ab dem Jahr 2010 ließ die Beklagte das Dach des Billing-Baus sanieren und im Zuge dieser Maßnahmen wurden spätestens 2013 sämtliche Bestandteile der Lichtinstallation entfernt und nicht wiederaufgebaut.
Künstlerin begehrt Wiederherstellung ihrer Werke und hilfsweise Schadenersatz
Die Klägerin sieht in der Entfernung der Installationen eine Verletzung ihres Urheberrechts. Im Verfahren I ZR 98/17 hat sie in der Berufungsinstanz die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen der Installation "HHole (for Mannheim)" durch die Baumaßnahmen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Werks, Zugang zum Werk und Zahlung einer angemessenen Vergütung von mindestens 70.000 Euro verlangt. Hilfsweise hat sie unter anderem die Duldung der Reinstallation der Grundstruktur des Kunstwerks nach erfolgtem Gebäudeumbau auf Kosten der Beklagten sowie Zahlung einer angemessenen Vergütung hierfür beansprucht. Für den Fall einer dauerhaften Beseitigung des Werks hat die Klägerin weiter hilfsweise Schadenersatz von nicht unter 220.000 Euro begehrt. Im Verfahren I ZR 99/17 hat die Klägerin die Wiedererrichtung der Lichtinstallation "PHaradies" verlangt. Für den Fall der dauerhaften Vernichtung des Werks hat sie hilfsweise Schadenersatz von mindestens 90.000 Euro beansprucht.
Klagen in der Vorinstanz erfolglos
Das Landgericht hat die Beklagte im Verfahren I ZR 98/17 zur Zahlung einer Vergütung von 66.000 Euro unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Im Verfahren I ZR 99/17 hat das LG die Klage vollständig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage im Verfahren I ZR 98/17 auch hinsichtlich des vom LG zugesprochenen Vergütungsanspruchs abgewiesen.
Revision der Klägerin nur in Bezug auf Verfahren I ZR 98/17 teilweise erfolgreich
Der BGH hat im Verfahren I ZR 98/17 das angegriffene Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben, soweit das OLG ihren Klageantrag auf Zahlung einer Vergütung bis zur Höhe von 66.000 Euro zurückgewiesen hat, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Im Verfahren I ZR 99/17 hat der BGH die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
BGH: Umfassende Interessenabwägung erforderlich
Die von der Klägerin in beiden Verfahren hinsichtlich der Beseitigung der Installationen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG geltend gemachten Ansprüche bestehen laut BGH nicht, weil die Vernichtung der Werke rechtmäßig ist. Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks stelle eine "andere Beeinträchtigung" im Sinne des § 14 UrhG dar. Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, sei eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks vorzunehmen.
Interesse an Beseitigung der Installationen überwiegt
Bei der Interessenabwägung sei auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner sei zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient. Auf Seiten des Eigentümers könnten, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken gingen die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vor, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt. Das OLG habe danach rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Interesse der Beklagten an der Beseitigung der Installationen gegenüber dem Erhaltungsinteresse der Klägerin Vorrang hat. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch auf vertraglicher Grundlage nicht gegeben.