Gespaltener Rechtsweg bei Regressansprüchen eines Unfallversicherungsträgers

Belangt eine Unfallversicherung einen Durchgangsarzt wegen eines Behandlungsfehlers, entscheidet der Ursprung des Regressanspruchs über den Rechtsweg. Für einen Amtshaftungsanspruch ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, während für eine Leistung aus einer sozialrechtlichen Verpflichtung die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist. Der Bundesgerichtshof spaltete im konkreten Fall die Ansprüche auf beide Rechtswege auf.

Auf einen Arbeitsunfall folgt ein Behandlungsfehler

Ende 2015 erlitt ein Mann einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Schnittverletzung der linken Hand zuzog und bei dem die Beugesehne seines Zeigefingers durchtrennt wurde. Die kaputte Sehne wurde von zwei Durchgangsärzten übersehen und dementsprechend nicht behandelt. Die Trägerin der Unfallversicherung hat die Verzögerung der Heilbehandlung, die dauerhafte Funktionseinbuße und Schmerzen des Verunglückten mit einer Abfindungszahlung in Höhe von 4.500 Euro abgegolten. Außerdem trug sie noch Heilbehandlungsmehrkosten in Höhe von rund 650 Euro. Vor dem Landgericht Münster forderte sie von den beiden Durchgangsärzten im Weg der Amtshaftungsklage Schadensersatz wegen des Diagnosefehlers und die Feststellung, dass die Ärzte auch für eventuelle weitere Folgekosten einstehen müssen.

Gerichte sind sich nicht einig

Das Landgericht trennte das Verfahren wegen der Mehraufwendungsansprüche ab und verwies den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht. Die sofortige Beschwerde der Unfallkasse beim Oberlandesgericht Hamm führte zu einem anderen Ergebnis: Der Rechtsstreit sei auch hinsichtlich des Feststellungsanspruchs an das Sozialgericht zu verweisen. Die Unfallversicherung wandte sich mit der Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof – mit teilweisem Erfolg.

Haftung für Mehraufwendungskosten gehört vor das ordentliche Gericht

Der BGH gesteht den Hammer Richtern zwar zu, dass die Mehrbehandlungskosten an sich vor dem Sozialgericht zu klären wären, weil es sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG handelt. Die Versicherung mache Ansprüche aus dem Vertrag zwischen den Ärzten und der Unfallversicherungsträgerin, also einem öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X, geltend. Allerdings leite sie selbst ihre Ansprüche aus der Amtshaftung her. Hinsichtlich der Mehraufwendungen als Haftungsschaden könne der Durchgangsarzt laut dem BGH in Ausübung eines öffentlichen Amts mit der Folge gehandelt haben, dass die Unfallversicherungsträgerin grundsätzlich nach Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB haftet. Da diese Betrachtungsweise nicht offenkundig auszuschließen sei, sei der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht eröffnet.

Feststellungsantrag gehört vor das Sozialgericht

Die Feststellung, dass die Durchgangsärzte für zukünftige Schäden des verunfallten Mannes aus dem Arbeitsunfall haften sollen, ist dem VI. Zivilsenat zufolge allerdings nicht über den Amtshaftungsanspruch zu begründen. Hier hatte die Unfallkasse den Mann bereits auch für zukünftige Schäden aus dem Behandlungsfehler abgefunden, so dass ihr keine Schadensersatzleistungen mehr entstünden. Weitere Heilbehandlungskosten der Klägerin könnten ihr nur noch nach den §§ 26 ff. SGB VII entstehen, so der BGH. Der Ersatz dieser Kosten sei vor dem Sozialgericht zu klären. Der Rechtsweg sei deshalb zu spalten, der Feststellungsantrag nach § 145 ZPO abzutrennen und an das Sozialgericht zu verweisen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2023 - VI ZB 81/20

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2023.