Gesondertes Turnussystem für Anklagen des Generalbundesanwalts

Sehen Geschäftsverteilungspläne eines Gerichts einen gesonderten rotierenden Turnus für vom Generalbundesanwalt vertretene Staatsschutzverfahren zwischen zwei Senaten vor, bestehen im Hinblick auf die Garantie des gesetzlichen Richters keine Bedenken. Laut Bundesgerichtshof besteht nicht ernsthaft die Gefahr, dass der Generalbundesanwalt Verfahren trotz Anklagereife nicht unverzüglich anklagt, um manipulativ die Zuständigkeit eines besonderen Spruchkörpers herbeizuführen.

Angeklagte monierten Gerichtsbesetzung

Zwei Angeklagte beanstandeten die gerichtliche Besetzung in der seit Mai 2021 vor dem OLG Düsseldorf gegen sie stattfindenden Hauptverhandlung vor dem dortigen 6. Strafsenat. Der Generalbundesanwalt hatte gegen beide Anfang des Jahres Anklage erhoben und warf ihnen vor, an einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt zu sein. Die Geschäftsverteilungspläne 2020/21 sahen für vom Generalbundesanwalt (GBA) stammende Strafsachen einen gesonderten Turnus vor und wiesen dem 6. Strafsenat jeweils die Sachen mit den "Endziffern 1, 3, 5, 7 und 9 GBA" zu, dem 7. Strafsenat Verfahren mit geraden Endziffern. Zeitgleiche Eingänge wurden per Los zugeteilt. Anfang Mai teilte der 6. Strafsenat den Verteidigern seine Besetzung für die Hauptverhandlung mit. Sie beanstanden, dass die Mandanten ihrem gesetzlichen Richter entzogen würden; aufgrund des zwischen zwei Senaten rotierenden gesonderten Turnus könne faktisch der Generalbundesanwalt durch den Zeitpunkt seiner Anklageerhebung den jeweils zuständigen Spruchkörper bestimmen. In einer Tabelle zu den Turnuseingängen war die Sache mit "Datum 27.01.21, Ordnungsnr. 13" verzeichnet, zwei nachfolgende Verfahren aus Februar und Mai 2021 mit den Nummern 14 und 15 aufgeführt. Das OLG hielt die Besetzungseinwände für nicht begründet und legte sie dem BGH vor.

BGH: Missbräuchliche Eingriffe sind nahezu ausgeschlossen

Der BGH verwarf die Einwände der Angeklagten. Aus seiner Sicht verknüpften die Turnusregelungen für Staatsschutzverfahren – wie heute für die Verteilung erstinstanzlicher Verfahren in Strafsachen an den Land- und Oberlandesgerichten vielfach üblich – in zulässiger Weise die Zuständigkeit der Spruchkörper mit dem Kriterium der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs beim Gericht. Eingehende Sachen würden "blindlings" auf die am Turnus teilnehmenden Strafsenate verteilt. Bei zeitgleichem Eingang entscheide das Los. Dem 3. Strafsenat zufolge besteht bereits vor dem Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft dem Fürsorge- und Beschleunigungsgebot unterliege und dem Neutralitätsgebot des § 160 Abs. 2 StPO verpflichtet sei, nicht ernsthaft die Gefahr, dass der Generalbundesanwalt Verfahren trotz Anklagereife nicht unverzüglich anklagt, um manipulativ die Zuständigkeit eines besonderen Spruchkörpers herbeizuführen. Der BGH hatte auch keine Bedenken gegen die Schaffung einer separaten Verteilung von Anklagen der Bundesanwaltschaft. Im Vergleich zu Verfahren der Landesstaatsanwaltschaften seien diese Staatsschutzverfahren in der Regel wesentlich aufwendiger. Diese Lösung erlaube es, die Auslastung der Spruchkörper effektiv zu steuern.

BGH, Beschluss vom 16.06.2021 - StB 25/21

Redaktion beck-aktuell, 15. Juli 2021.