Gehörsverstoß durch fehlende Beweisaufnahme zu Beratungsauftrag

Hört ein Gericht angebotene Zeugen zu der Frage, ob ein Berater einen umfassenden Prüfungs- und Beratungsauftrag erhalten hatte, nicht, kann darin ein Gehörsverstoß liegen. Die Anforderungen an die Substanziierungslast dürfen dabei laut Bundesgerichtshof nicht überspannt werden. Eine Haftung des Insolvenzberaters könne jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Verspäteter Insolvenzantrag wegen falscher Auskunft?

Ein Insolvenzverwalter nahm einen Insolvenzberater auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht in Anspruch. Dieser habe den früheren Geschäftsführer der Schuldnerin falsch beraten, so dass der Insolvenzantrag vom Unternehmen verspätet gestellt worden sei. Mitte Dezember 2014 und Anfang Januar 2015 trafen sich der Berater und der ehemalige Geschäftsführer, wobei auch ein Gesellschafter der Schuldnerin und ein Steuerberater teilnahmen. Der genaue Gegenstand der jeweils geführten Gespräche und eines dabei erteilten Auftrags sowie Art und Umfang der dem Beklagten dabei überlassenen oder zur Einsicht vorgelegten Unterlagen waren streitig. Im Januar 2015 stellte der Mann für die "Insolvenzberatung" ein Honorar von rund 470 Euro in Rechnung, wobei die abgerechneten Tätigkeiten als "Erörterung der insolvenzrechtlichen Situation sowie Erläuterung von Folgen und Ergebnis eines Insolvenzverfahrens" und "Erörterung über die weitere Vorgehensweise" bezeichnet wurden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde im Dezember 2015 eröffnet. Der Insolvenzverwalter behauptete, der Berater habe bei der Besprechung 2014 die Insolvenzreife zu Unrecht verneint. Dieser bestritt einen umfassenden Prüfungs- und Beratungsauftrag.

OLG: Prüfungsauftrag nicht hinreichend dargelegt

Das Anliegen scheiterte sowohl beim LG Darmstadt als auch beim OLG Frankfurt am Main (Darmstadt). Der Verwalter habe einen Vertrag, wonach die Insolvenzreife zu prüfen gewesen sei, nicht schlüssig dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, dass ein solcher Vertrag überhaupt zustande gekommen sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers beim BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

Erheblicher Gehörsverstoß

Dem III. Zivilsenat zufolge hat das OLG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es die Anforderungen an dessen Substanziierungslast überspannt und den wesentlichen Kern dessen Vortrags zur Kenntnis genommen beziehungsweise bei der Entscheidung nicht beachtet habe. Die Würdigung im Wesentlichen auf den Vortrag, der Beklagte habe die wirtschaftliche Prognose der Schuldnerin durch den Steuerberater überprüfen sollen, sowie den Inhalt der Rechnung zu beschränken, war laut BGH falsch. Damit habe das Gericht sich den Blick auf das sonstige - ausreichend schlüssige - Klägervorbringen verstellt. Eine Haftung des Beklagten könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Der Gehörsverstoß sei auch erheblich. Es sei nicht auszuschließen, dass das OLG den Inhalt sowohl des dem Beklagten erteilten Auftrags als auch der Rechnung vom 23.01.2015 - insbesondere die Bedeutung der Position "Erörterung der insolvenzrechtlichen Situation sowie Erläuterung von Folgen und Ergebnis eines Insolvenzverfahrens" beziehungsweise die im Betreff genannte Bezeichnung "Insolvenzberatung S." - anders bewertet hätte, wenn es den weiteren Vortrag berücksichtigt und die Zeugen angehört hätte.

BGH, Beschluss vom 26.01.2023 - III ZR 91/22

Redaktion beck-aktuell, 3. März 2023.