Gehörsverletzung durch übergangenen Vortrag zu zentraler Frage

Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist laut Bundesgerichtshof auszugehen, wenn ein Gericht den in der Berufungsbegründung enthaltenen Vortrag überhaupt nicht berücksichtigt.

VW moniert Aktivlegitimation nach Fahrzeugverkauf

Ein Autokäufer nahm den beklagten Fahrzeughersteller – die VW AG – wegen Verwendung von sogenannter Schummelsoftware auf Schadenersatz in Anspruch. Er habe den Wagen, der mit einem Dieselmotor ausgestattet war, von seinem Vater gebraucht für 31.500 Euro erworben. Das Landgericht Bamberg gab der Klage statt und verurteilte den Konzern zur Zahlung von 22.600 Euro gegen Rückabwicklung des Kaufvertrags. Während der Dieselfahrer seine Berufung zurücknahm, scheiterte das Rechtsmittel des Unternehmens größtenteils vor dem Oberlandesgericht Bamberg. Die bloße Behauptung, die Aktivlegitimation des Klägers fehle, begründe keine Zweifel an den vom LG getroffenen Feststellungen, so die Begründung. Auf den Antrag von VW berichtigten die Bamberger Richter das Urteil dahingehend, dass es anstelle von "Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag" heißen müsse "Der Kläger behauptet, dass er von seinem Vater mit Kaufvertrag vom 12.03.2015 den Pkw [.] erworben habe".  Die Nichtzulassungsbeschwerde von VW beim BGH hatte teilweise Erfolg.

BGH: LG hat Darlegungs- und Beweislast verkannt

Der BGH sah den Autokonzern in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt und verwies die Sache an das OLG zurück. Er bemängelte, dass das OLG die zur Frage des Fahrzeugerwerbs erhobenen Rügen in der Berufungsbegründung nicht berücksichtigt habe: Der Hersteller habe ausgeführt, dass der vorgelegte – auf einem Formular aus dem Jahr 2017 erstellte – Kaufvertrag nicht geeignet sei, den behaupteten Vertragsschluss im Jahr 2013 zu belegen. Außerdem habe er gerügt, dass das LG die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen des Kaufvertrags und die Kaufpreiszahlung verkannt habe, indem es eine Verpflichtung des Unternehmens zur Darlegung eines Scheingeschäfts festgehalten habe. 

BGH, Beschluss vom 18.05.2021 - VI ZR 1106/20

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2021.