BGH: Geh­be­hin­der­ter Woh­nungs­ei­gen­tü­mer darf Fahr­stuhl nur mit Zu­stim­mung aller üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer ein­bau­en

Einem Woh­nungs­ei­gen­tü­mer ist es ver­wehrt, ohne Zu­stim­mung aller üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer in dem ge­mein­schaft­li­chen Trep­pen­haus auf ei­ge­ne Kos­ten einen Per­so­nen­auf­zug ein­zu­bau­en, und zwar auch dann, wenn er auf­grund einer Geh­be­hin­de­rung auf den Auf­zug an­ge­wie­sen ist, um seine Woh­nung zu er­rei­chen. Dies hat der Bun­des­ge­richts­hof mit Ur­teil vom 13.01.2017 ent­schie­den. Die üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer könn­ten al­ler­dings ver­pflich­tet sein, den Ein­bau eines Trep­pen­lifts oder einer Roll­stuhl­ram­pe zu dul­den (Az.: V ZR 96/16).

Woh­nungs­ei­gen­tü­mer will auf ei­ge­ne Kos­ten Fahr­stuhl im Trep­pen­haus ein­bau­en

Der im Jahr 1936 ge­bo­re­ne Klä­ger ist Ei­gen­tü­mer einer im fünf­ten Ober­ge­schoss ge­le­ge­nen Woh­nung sowie einer deut­lich klei­ne­ren, ver­mie­te­ten Woh­nung im Erd­ge­schoss einer Wohn­an­la­ge, die aus zwei Wohn­blö­cken mit je­weils vier Haus­ein­gän­gen be­steht. Einen Auf­zug gibt es in dem zu­ge­hö­ri­gen Trep­pen­haus nicht. Der Klä­ger hat zu­nächst ge­mein­sam mit ei­ni­gen an­de­ren, den­sel­ben Haus­teil be­woh­nen­den Woh­nungs­ei­gen­tü­mern in der Ei­gen­tü­mer­ver­samm­lung be­an­tragt, den An­trag­stel­lern den Ein­bau eines ge­räusch­ar­men und en­er­gie­ef­fi­zi­en­ten Per­so­nen­auf­zugs in dem of­fe­nen Schacht in der Mitte des Trep­pen­hau­ses auf ei­ge­ne Kos­ten zu ge­stat­ten. Die­ser An­trag fand keine Mehr­heit.Mit sei­ner an­schlie­ßend gegen alle üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer ge­rich­te­ten Klage woll­te der Klä­ger er­rei­chen, dass die Be­klag­ten den Ein­bau eines Per­so­nen­auf­zugs (auf Kos­ten der ur­sprüng­li­chen An­trag­stel­ler) dul­den müs­sen. Er be­grün­de­te dies ins­be­son­de­re damit, dass seine 1982 ge­bo­re­ne, zu 100 % schwer­be­hin­der­te En­kel­toch­ter zeit­wei­se von ihm und sei­ner Ehe­frau be­treut wird. Das Amts­ge­richt wies die Klage ab.

LG gab Klage mit Ein­schrän­kun­gen statt

Das Land­ge­richt gab ihr mit Ein­schrän­kun­gen statt. Es be­schloss im Wege der so­ge­nann­ten Be­schluss­erset­zung, dass die Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft die Er­rich­tung und den Be­trieb eines ge­räusch­ar­men, ma­schi­nen­raum­lo­sen Per­so­nen­auf­zugs in dem Trep­pen­schacht durch den Klä­ger dul­den muss. Die Kos­ten der Er­rich­tung und des Be­trie­bes sowie einer et­wai­gen spä­te­ren Be­sei­ti­gung des Auf­zugs soll­te der Klä­ger tra­gen. Er soll­te sich je­doch mit wei­te­ren Woh­nungs­ei­gen­tü­mern zu einer Ge­sell­schaft bür­ger­li­chen Rechts (GbR) zur Er­rich­tung und zum Be­trieb des Auf­zugs zu­sam­men­schlie­ßen dür­fen. Die Nut­zung des Auf­zugs soll­te der Klä­ger oder die GbR auf die­je­ni­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer be­schrän­ken kön­nen, die sich an den Kos­ten der Er­rich­tung und der Un­ter­hal­tung des Auf­zugs im an­ge­mes­se­nen Um­fang be­tei­li­gen. Da­ne­ben soll­te der Klä­ger vor Bau­be­ginn eine Si­cher­heit für eine spä­te­re Be­sei­ti­gung des Auf­zugs leis­ten, und zwar in Höhe von 110 % der hier­für er­for­der­li­chen Kos­ten. Da­ge­gen leg­ten die Be­klag­ten Re­vi­si­on ein.

BGH: Zu­stim­mungs­er­for­der­nis bei Nach­teil für üb­ri­ge Woh­nungs­ei­gen­tü­mer

Der BGH hat das LG-Ur­teil auf­ge­ho­ben und das AG-Ur­teil wie­der­her­ge­stellt, mit dem die Klage ab­ge­wie­sen wor­den ist. Der Klä­ger dürfe die bau­li­che Maß­nah­me nur durch­füh­ren, wenn die üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer hier­zu ihre Zu­stim­mung er­teil­ten. Dies sei nicht ge­sche­hen. Für die Frage, ob die Zu­stim­mung er­for­der­lich ist, komme es ent­schei­dend dar­auf an, ob den üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mern ein Nach­teil im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG er­wächst, der "über das bei einem ge­ord­ne­ten Zu­sam­men­le­ben un­ver­meid­li­che Maß hin­aus­geht". Ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts sei ein sol­cher Nach­teil an­zu­neh­men. Dies er­ge­be sich aus einer fall­be­zo­ge­nen Ab­wä­gung der bei­der­seits grund­recht­lich ge­schütz­ten In­ter­es­sen. Neben dem Grund­recht auf Ei­gen­tum (Art. 14 Abs. 1 GG), auf das sich jede der Par­tei­en be­ru­fen könne, sei auf Sei­ten des Klä­gers Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu be­ach­ten, wo­nach nie­mand wegen sei­ner Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wer­den dürfe.

Ein­bau eines Fahr­stuhls stellt Nach­teil im Sinne des WEG-Ge­set­zes dar

Laut BGH wird die In­ter­es­sen­ab­wä­gung in der Regel er­ge­ben, dass die üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer die An­brin­gung eines Trep­pen­lifts oder einer Roll­stuhl­ram­pe durch einen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer dul­den müs­sen, wenn die­ser oder ein An­ge­hö­ri­ger unter einer er­heb­li­chen Geh­be­hin­de­rung lei­det. An­ders liege es aber bei dem Ein­bau eines Per­so­nen­auf­zugs, der einen Nach­teil im Sinne des WEG-Ge­set­zes dar­stel­le. Er sei nur mit er­heb­li­chen Ein­grif­fen in die Sub­stanz des Ge­mein­schafts­ei­gen­tums mach­bar und ver­en­ge in aller Regel - wie auch hier - den im Trep­pen­haus zur Ver­fü­gung ste­hen­den Platz er­heb­lich. Er er­for­de­re schon wegen der bau­ord­nungs- und brand­schutz­recht­li­chen Vor­ga­ben einen mas­si­ven kon­struk­ti­ven Ein­griff in den Bau­kör­per. Zudem könne die pri­va­te Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht im Au­ßen­ver­hält­nis zu Drit­ten Haf­tungs­ri­si­ken auch für die üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer mit sich brin­gen. Ein Rück­bau setze er­neut er­heb­li­che Ein­grif­fe in den Bau­kör­per vor­aus, die nur mit gro­ßem bau­li­chem Auf­wand er­fol­gen könn­ten und ih­rer­seits neue Ri­si­ken ber­gen wür­den. Un­ab­hän­gig von einer Si­cher­heits­leis­tung dürf­te sich der Rück­bau bei le­bens­na­her Be­trach­tung re­gel­mä­ßig als eher un­rea­lis­tisch er­wei­sen.

Son­der­nut­zungs­recht durch Nut­zungs­be­schrän­kung setzt Ver­ein­ba­rung aller Woh­nungs­ei­gen­tü­mer vor­aus

Die Klage ist dem BGH zu­fol­ge auch des­halb ab­zu­wei­sen, weil ein Son­der­nut­zungs­recht an dem für den Ein­bau vor­ge­se­he­nen Trep­pen­haus­teil ein­ge­räumt werde, wenn der ein­zu­bau­en­de Per­so­nen­auf­zug - wie hier - nur ein­zel­nen bau- und zah­lungs­wil­li­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mern zur Ver­fü­gung ste­hen soll. Denn dafür be­dür­fe es einer Ver­ein­ba­rung aller Woh­nungs­ei­gen­tü­mer. Die üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer wür­den von dem Ge­brauch eines Teils des ge­mein­schaft­li­chen Trep­pen­hau­ses aus­ge­schlos­sen. Der für den Ein­bau des Auf­zugs vor­ge­se­he­ne Schacht werde nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts im un­te­ren Be­reich der­zeit zum Ab­stel­len von Fahr­rä­dern und Kin­der­wa­gen ge­nutzt und sei zudem er­for­der­lich, damit sper­ri­ge Ge­gen­stän­de durch das Trep­pen­haus trans­por­tiert wer­den kön­nen.

Er­geb­nis mit Grund­ge­setz ver­ein­bar

Nach An­sicht des BGH ist die­ses Er­geb­nis auch mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar. Zwar sei die Woh­nung des Klä­gers den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu­fol­ge schwer ver­äu­ßer­lich und für eine geh­be­hin­der­te Per­son nur mit einem Per­so­nen­auf­zug gut zu er­rei­chen. Es habe sich aber ein Ri­si­ko ver­wirk­licht, das der Klä­ger ein­ge­gan­gen ist, als er in der kon­kre­ten Re­gi­on eine im fünf­ten Ober­ge­schoss ge­le­ge­ne Woh­nung er­wor­ben habe, die mit nie­der­schwel­li­gen Hilfs­mit­teln wie einem Trep­pen­lift nicht ohne wei­te­res zu­gäng­lich ge­macht wer­den könne. Aus dem Grund­ge­setz lasse sich nicht ab­lei­ten, dass die dar­aus re­sul­tie­ren­den Er­schwer­nis­se zu Las­ten der üb­ri­gen Woh­nungs­ei­gen­tü­mer ab­zu­wen­den sind. Denn deren Woh­nungs­ei­gen­tum sei even­tu­ell eben­falls schwer ver­äu­ßer­lich und würde mit zu­sätz­li­chen Nach­tei­len und Haf­tungs­ri­si­ken be­las­tet.

BGH, Urteil vom 13.01.2017 - V ZR 96/16

Redaktion beck-aktuell, 13. Januar 2017.

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