Gegendarstellung mit widersprechendem Redaktionsschwanz

Wenn eine Zeitung eine Gegendarstellung zu einer persönlichkeitsbeeinträchtigenden Behauptung abdruckt, darf sie nicht – auch nicht verdeckt – anfügen, dass diese Darstellung falsch ist. Etwas anderes gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn sie beweisen kann, dass ihre Behauptung wahr ist. Stein des Anstoßes war die Frage, ob ein Agent im Interview behauptet hatte, dass die von ihm vertretene Künstlerin im Jahr 2012 in einer Suchtklinik war.

War J. E. in der Betty-Ford-Klinik?

Eine Künstleragentur gab 2012 einer Zeitung ein Interview über die von ihr vertretene Künstlerin J. E. In dem anschließend veröffentlichten Artikel hieß es dann unter anderem, die Agentur habe einen Aufenthalt von E. in der privaten Suchtklinik bestätigt. Weil diese Behauptung bestritten wurde, publizierte die Zeitung eine Gegendarstellung; allerdings fügte sie an, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Sie bleibe bei ihrer Darstellung. Die Künstleragentur verlangte vor dem Landgericht Hamburg vergeblich die Unterlassung dieses sogenannten Redaktionsschwanzes. Das Oberlandesgericht Hamburg gab ihrer Klage statt, dagegen zog die Zeitung vor den Bundesgerichtshof - zwar mit Erfolg, aber bei anderer Begründung.

Redaktionsschwanz steht im Widerspruch zur Gegendarstellung

Dem BGH zufolge enthält der Redaktionsschwanz die verdeckte Äußerung, dass die Gegendarstellung falsch ist. Sie bekräftige, die Agentur habe im Interview angegeben, die Künstlerin sei in der Alkoholentzugsklinik gewesen. Mit dem Oberlandesgericht sei davon auszugehen, dass diese Behauptung falsch ist, weil die Zeitung nicht bewiesen hat, dass sie richtig ist. Die Beweislast für die Wahrheit dieser persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptung liege bei ihr, weil sie diese Behauptung getätigt habe. Der VI. Zivilsenat hob das Urteil trotzdem auf, weil in Anbetracht des Zeitablaufs keine Wiederholung mehr zu erwarten sei. Der Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB sei damit nicht gegeben.

BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 166/19

Redaktion beck-aktuell, 28. Juni 2021.